Weilheim und Umgebung

„Vokale sind einfach gesünder“

Ernährung Neben „Allesessern“ gibt es unter anderem Veganer, Vegetarier, Flexitarier, ­Frutarier und Rohköstler. Und neuerdings auch Vokalisten. Von Peter Dietrich

Professor Helmut Mühlscheidt vom „Institut für Sprachkultur“ an der Universität Goslar ist nicht nur ein Sprachexperte, sondern
Professor Helmut Mühlscheidt vom „Institut für Sprachkultur“ an der Universität Goslar ist nicht nur ein Sprachexperte, sondern befasst sich auch mit Ernährungschemie.Foto: Peter Dietrich

Veganer verzichten auf alles, was vom Tier kommt, Vegetarier essen nur Produkte vom lebenden Tier. Flexitarier reduzieren Fleisch und Fisch, Rohköstler meiden das Erhitzen. Besonders streng sind Frutarier: Sie essen bei Pflanzen nur das, was diese freiwillig hergeben, was diese nicht schädigt, also etwa Fallobst und Samen. Diese kurze Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Hinzu kommt nun ein ganz neuer Trend, der Vokalismus. Er geht unter anderem auf Professor Helmut Mühlscheidt vom „Institut für Sprachkultur“ an der Freien Universität Goslar zurück. Mühlscheidt ist gebürtiger Weilheimer.

Was hat ein Sprachwissenschaftler mit Ernährung zu tun? Mühlscheidts These lautet: Wenn ein Lebensmittel immer weiter verarbeitet wird, verliert es nicht nur wertvolle Inhaltsstoffe, sondern auch Vokale. Mit dem Konsonantenüberschuss nähmen dafür auch die schädlichen Inhaltsstoffe zu. „Die Weisheit der Sprache ist erstaunlich, Vokale sind einfach gesünder“, sagt Mühlscheidt. „Denken Sie an das Müsli: Die guten alten Haferflocken haben vier Vokale, Cornflakes immerhin zwei. Aber diese ganzen süßen Designerprodukte heißen Pops, Hobs, Tops, Flops oder so ähnlich. Die sind auch gesundheitlich ein Flop. Aber auch Sprache ist leider nicht unfehlbar, es dürfte höchstens Zuck heißen. Auch Cola hat das a nicht verdient, viel besser ist Mineralwasser oder sogar Johannisbeerschorle.“

„Nehmen Sie das ballaststoffreiche Pumpernickel mit vier Vokalen, das gute Vollkornbrot mit drei. Baguette hat gesprochen noch zwei, der labbrige, ausgemahlene Toast ausgesprochen zu Recht nur noch einen Vokal. Aus Drei-Vokal-Kartoffeln werden Zwei-Vokal-Pommes und Ein-Vokal-Chips mit viel zu viel Fett und Salz.“ Salz hat nach Ansicht der Vokalisten zu Recht nur einen Vokal.

„Amaranth, Jahrtausende alt und schon bei Inkas, Azteken und Mayas bekannt, enthält nicht nur dreimal den Vokal A, sondern bei den Vokalisten ein klares AAA-Rating“, ergänzt seine Ehefrau, die Ernährungsexpertin Verena Mühlscheidt. Beim Gemüse lieben die Vokalisten Artischocken und Aubergine, Brokkoli und vieles mehr, Knollensellerie bleibt trotz fünf Vokalen Geschmacksache.

Die Grünen Bohnen und erst recht die Hülsenfrüchte führen zu einem Streitpunkt innerhalb der noch jungen Vokalisten-Bewegung: Eine kleine, aber wachsende Gruppe findet, Umlaute wie das Ü müssten doppelt gezählt werden. Die große Mehrheit der Vokalisten findet aber noch immer die Anzahl der gesprochenen Vokale als maßgebend. Bier hat also nur einen. „Wenn schon, dann wenigstens ein Hefeweizen“, meint Helmut Mühlscheidt schmunzelnd. Ebenfalls noch umstritten ist der Umgang mit regionalen Begriffen - bekäme doch etwa das Brathähnchen als schwäbisches Göggele eine Dreierwertung, als ostdeutscher Broiler nur eine Zweierwertung.

Verena Mühlscheidt mahnt noch, die Kräuter nicht zu vergessen: „Die viervokalige Petersilie enthält Vitamin C, Calcium, Kalium, Phosphor, Magnesium und weitere wertvolle Substanzen.“ Was ist mit Bio und fairem Handel? „Das fließt nicht in die Wertung ein“, sagt Helmut Mühlscheidt, „gibt aber einen Extrabonus. Das ist dann ähnlich wie beim Lotto, am besten sind fünf oder sechs Vokale mit Superzahl.“

1 Vokale - die gesunden Buchstaben. So heißt das neue, bebilderte Buch von Professor Helmut Mühlscheidt. Es ist im Buchhandel erhältlich. Der Teckbote verlost zehn Exemplare davon unter den ersten zehn Lesern, die eine E-Mail senden an redaktion@teckbote.de