Weilheim und Umgebung
Von der Ursünde zur Befreiung 

Kirche Joseph Wannenmacher gestaltete einst die beeindruckende Deckenmalerei in der Wallfahrtskirche Ave Maria im Oberen Filstal. Jetzt wäre er 300 Jahre alt geworden. Von Heike Siegemund

Vor etwa 270 Jahren hat der Kirchenmaler Joseph Wannenmacher in der Degginger Wallfahrtskirche Ave Maria im Kreis Göppingen etwas geschaffen, das die Menschen bis heute in ihren Bann zieht: die beeindruckende Deckenmalerei mit dem faszinierenden Hauptgemälde und den weiteren barocken Fresken. Am 18. September würde Wannenmacher seinen 300. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass laden die Verantwortlichen von Ave Maria um Pfarrer Hans Georg Schmolke zu einem Vortrag und einer Kirchenführung ein.

„Es muss ein Riesengerüst gewesen sein“, wie Pfarrer Schmolke sagt, auf dem Wannenmacher auf dem Rücken liegend in knapp 18 Metern Höhe sein Werk vollbrachte. Besonders ins Auge sticht das etwa acht auf fünf Meter große Hauptgemälde im Kirchenschiff, das Maria zeigt, auf dem Gipfel des Paradiesbaumes stehend. „Normalerweise hängen rote Äpfel am Baum“, sagt Schmolke. Stattdessen aber „hing Wannenmacher lauter kleine Totenköpfe dran“. Eine Schlange windet sich um den Stamm, lässt die Frucht des Baumes zum Tod werden. Satan greift nach der Welt, verführt die Menschheit, lockt mit der Sünde. Doch auf der Krone des bereits in seinen Früchten vergifteten Baumes schwebt Maria, die mit dem Fuß den Schlangenkopf zertritt, und über ihr der Schöpfer, die Weltkugel haltend.

Das zweite Deckengemälde zeigt Mariä Verkündigung: Betend hört die Jungfrau Maria die göttliche Botschaft des Engels Gabriel, dass sie den Sohn Gottes vom Heiligen Geist empfangen und ihn gebären werde. „Maria kniet ganz fromm, oben Gott Vater – es ist wunderschön dargestellt“, beschreibt Pfarrer Schmolke. Im Altarraum gestaltete Wannenmacher ein weiteres Deckenfresko: die Verherrlichung Mariens, „der Beweis, dass Jesus der Heiland ist, der uns rettet“. Maria schwebt in den Wolken, von Engeln getragen, über der Erdkugel, und wird in den Himmel aufgenommen.

„Drei Männer in wallenden Gewändern schauen durch Fernrohre in die grelle Sonne am Himmel – und finden keine Flecken“, sagt Pfarrer Schmolke über das abschließende Bild Wannenmachers, das sich über dem Hochaltar befindet. „Wannenmacher bezieht dies auf Maria, die ohne Flecken, ohne Makel ist“, erklärt Schmolke mit Blick auf die unbefleckte Empfängnis Mariens. Eine Inschrift im unteren Teil des Gemäldes lautet „Absque nota“ – übersetzt: „ohne Hinweis“ oder „ohne Notiz“.

„Wannenmacher erhielt auch den Auftrag, den Kreuzweg in Ave zu malen“, ergänzt Pfarrer Schmolke. Allerdings habe er nur die ersten beiden Bilder geschafft. „Vermutlich erhielt er dann einen anderen Auftrag oder die weiteren Bilder sind abhandengekommen.“

Sicher ist, dass Wannenmacher im Jahr 1754 seine Arbeit in Ave Maria abschloss. Seinen akademischen Titel „Accademico Romano“ hinterließ er gleich zweimal an den Deckenfresken in Ave. Scheinbar hatte er in Rom studiert; wo genau, ist nicht bekannt, sagt Schmolke. Das Wissen zur Mariensymbolik habe Wannenmacher wohl aus St. Gallen mitgebracht, wo er in der dortigen Stiftskirche ebenfalls große Freskomalereien gestaltet hatte. Übrigens hatte der Maler bei seiner Arbeit in Ave einen Gehilfen: Johann Michael Staudenmayr. Darauf deutet eine Inschrift in der Kirche hoch oben hinter der Gipsfigur des heiligen Anselm hin, die bei einer Renovierung 1976 freigelegt wurde.

„Wannenmacher muss im süddeutschen Raum einen Namen gehabt haben“, betont Pfarrer Schmolke. Das Besondere für ihn an Wannenmachers Werk in Ave Maria ist, dass es dem Maler auf eindrucksvolle Weise gelungen sei, „das theologische Programm von der Ursünde zur Befreiung“ zu zeigen. Bis er den roten Faden gefunden hatte, habe er eine Weile gebraucht, gesteht Schmolke, der seit drei Jahren Wallfahrtsrektor in Ave ist. „Mich interessiert nur, wer Wannenmacher den Auftrag gab. Aber dazu gibt es keine Quellen.“ Der Stuck stammt von Ulrich und Johann Jakob Schweizer aus Deggingen. „Wannenmacher malte die Fresken in das noch weiche Material der Gipser hinein“, beschreibt Schmolke diese „ungeheuerliche“ Herausforderung unter Zeitdruck.

Die Malerei Wannenmachers „ist so variantenreich“, ergänzt der Pfarrer und nennt als Beispiel die Weltkugel aus Glas, auf der Maria auf der Krone des Paradiesbaumes steht. Übrigens habe Wannenmacher in Ave höchstwahrscheinlich ein Selbstporträt hinterlassen: Man gehe davon aus, dass er auf dem großen Hauptgemälde als Adam und seine Frau als Eva zu sehen sind.

 

Zwei Veranstaltungen zum Jubiläum

Joseph Wannen­macher, schwäbischer Kirchenmaler des 18. Jahrhunderts, kam am 18. September 1722 in Tomerdingen (Alb-Donau-Kreis) auf die Welt. Seine Ausbildung erhielt er in Rom und signierte auch gelegentlich als „Accademico Romano pittore“. Er war in vielen Kirchen und Klös­tern tätig und gestaltete dort faszinierende Deckengemälde. Neben der Wallfahrtskirche Ave Maria arbeitete er unter anderem in Sankt Martinus in Donzdorf, in der Stiftskirche St. Gallen, in der Franziskanerkirche Schwäbisch Gmünd und im Kloster Elchingen. Er starb am 6. Dezember 1780 in Tomerdingen.

Unter dem Titel „300 Jahre Joseph Wannenmacher – der Kirchenmaler von Ave Maria“ finden zwei Jubiläumsveranstaltungen statt: Der Vortrag „Wannenmacher und seine Zeit“ mit dem Referenten Pfarrer Ralf Weber aus Tomerdingen beginnt am Freitag, 16. September, um 19 Uhr im Refektorium des Klosters. Die musikalische Umrahmung übernimmt Miriam Wagner an der Violine. Die Organisatoren bitten für den Vortrag um eine Anmeldung an ave-maria-deggingen@t-online.de oder unter 0 73 34/9 61 60. Außerdem gibt es eine Kirchenführung mit Pfarrer Schmolke und musikalischer Einstimmung. Diese findet am Sonntag, 18. September, um 15 Uhr statt. Anschließend gibt es Kaffee und Kuchen. hs