Weilheim und Umgebung

Von Kirchheim über Weilheim zum Kurpark

Reaktivierung Wie könnte eine Bahnverbindung von Kirchheim nach Göppingen aussehen? Manche Gleise der früheren Strecke gibt es noch, einige wurden aber herausgerissen. Von Peter Dietrich

Viele Trassen enden im Nirgendwo. Der Verein „Ein neuer Zug im Kreis“ setzt sich für deren Erhalt ein und schneidet immer wieder
Viele Trassen enden im Nirgendwo. Der Verein „Ein neuer Zug im Kreis“ setzt sich für deren Erhalt ein und schneidet immer wieder Teile der Trassen frei. Foto: Peter Dietrich

Laut aktuellem Entwurf des Regionalverkehrsplans der Region Stuttgart muss für die Schienenverbindung Kirchheim - Weilheim - Bad Boll - Göppingen die Trasse frei gehalten werden. Die notwendigen Investitionen für Fahrzeuge und Strecke werden dort mit 205 Millionen Euro angegeben. Zwischen Kirchheim und Holzmaden und zwischen Bad Boll und Göppingen liegen die Gleise der früheren Bahnstrecken noch. Vor und in Weilheim wurden sie herausgerissen. Zwischen Weilheim und Bad Boll klafft eine etwa acht Kilometer lange Lücke, auf der es noch nie Schienenverkehr gab.

Schon vor 20 Jahren hat das Verkehrswissenschaftliche Institut der Universität Stuttgart die Strecke untersucht und ihr „hohe verkehrliche Wirkungen“ bescheinigt. Das Institut ging von neuen Haltestellen in Kirchheim Ost, Weilheim Nord und in Bad Boll Kurpark aus. Dieser Halt könnte unter anderem die Evangelische Akademie Bad Boll und die WALA Heilmittel erschließen. „Die Akademie hat im Jahr etwa 20 000 Tagungsgäste“, sagt Studienleiterin Carmen Ketterl. Weil die Busverbindung nach Göppingen unattraktiv ist, kommen viele mit dem Auto.

Foto: pm
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Dieter Vetter vom Verein „Ein neuer Zug im Kreis“ verweist zusätzlich auf den Kurbetrieb: Wer Bad Boll verlasse, sei so fit, dass er mit dem Bus heimfahre. Doch bei der Hinfahrt müssten die Kurgäste am Göppinger Bahnhof abgeholt werden - solange kein Zug nach Bad Boll fahre. Seit vielen Jahren setzt sich der Verein für den Erhalt der Strecke ein und schneidet Teile der Trasse frei. Schon 1996 gab es im Landkreis Göppingen eine Studie zur Reaktivierung. Geschehen ist weiter nichts. Wa­rum? „Der politische Druck fehlt“, sagt Vetter.

Es gibt einen Joker

Erste Untersuchungen, wie man durch Bad Boll und Weilheim kommen könnte, gibt es - und Befürchtungen. Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle will weder einen unattraktiven Halt außerhalb der Stadt noch einen teuren Tunnel. Auch in Bad Boll muss eine Lösung her, die das Thermalwasser berücksichtigt. Also eine Stadtbahn? Wenn Hartmut Jaißle von der Nahverkehrsberatung Südwest vom Zabergäu spricht, gerät er schnell ins Schwärmen. Dort planten gerade die Karlsruher Stadtbahnexperten die Reaktivierung der Bahnstrecke.

Auch der grüne Verkehrsexperte und Kirchheimer Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz unterstützt eine Überprüfung der Stadtbahnvariante. Sie verlange geringere Voraussetzungen, erlaube engere Radien.

Dann zieht Schwarz noch einen Joker aus der Tasche - es ist die Refinanzierungsvereinbarung zur S-Bahn-Verlängerung nach Kirchheim. Darin wurde festgelegt, dass sich die Kommunen auch bei einer Reaktivierung der Bahnstrecke nach Weilheim beteiligen. Damals hat etwa Weilheim 3,26 Prozent der kommunalen Kosten an der S-Bahn-Verlängerung getragen, obwohl die Stadt gar nicht direkt an der S-Bahn liegt. Dafür wären jetzt - zumindest bei den Kosten bis Weilheim - auch wieder Gemeinden wie Wendlingen, Köngen und Wernau im Boot. Kämen also 60 Prozent der förderfähigen Kosten aus Mitteln des Bundes und 20 Prozent vom Land, gäbe es für einen Teil der restlichen kommunalen 20 Prozent schon einen Verteilungsschlüssel. „Aus den Regionalisierungsmitteln ist in den nächsten Jahren Geld da“, sagt Jaißle. „Wohl dem, der dann ein attraktives Projekt hat.“

Wann kommt es zu einer Reaktivierung?

Die Reaktivierung einer Bahnstrecke ist nur dann sinnvoll, wenn über 1 000 Fahrgäste pro Tag zu erwarten sind. Dies ist in ländlichen Gebieten oft kritisch, am Rand von Ballungsräumen aber meist zu erreichen. Laut VVS sitzen zwischen Weilheim und Kirchheim täglich 1 600 Leute im Bus. Die Voraussetzungen sind besser als bei der früheren Panoramabahn von Göppingen bis Schwäbisch Gmünd.

Ist eine Strecke derzeit gänzlich ohne Zugverkehr, dann sind Einsprüche von Anwohnern auf eine Wiederaufnahme so gut wie nie erfolgreich.

Eine kurvige Strecke mit Umwegen hat es in der Konkurrenz zu einer direkteren Straßenverbindung naturgemäß schwer. Eine geradlinige Strecke parallel zu einer bestehenden Straßenverbindung ist demnach klar im Vorteil.

Entscheidend ist auch die Anbindung ans weitere Netz: Endet die Strecke im „Nirgendwo“, beim Regionalverkehr oder an einer S-Bahn-Station? Je verdichteter die Siedlungsstruktur, desto mehr Potenzial.

Der Politische Wille ist auch wichtig: Unterstützen die Anliegerkommunen und die Landkreise die Reaktivierung? Was denkt das Land? Gibt es Bürgerinitiativen?pd