Weilheim und Umgebung

Wengerter fürchten Aus für Weinbau

Umwelt Ab 2022 ist der Einsatz von Spritzmitteln in Naturschutzgebieten verboten. Die Hobby-Weingärtner an der Weilheimer Limburg hoffen nun auf eine Ausnahmegenehmigung. Von Bianca Lütz-Holoch

Gespritzt wird bei den Weilheimer Wengertern so wenig wie möglich. Weinbau ganz ohne Pflanzenschutz halten sie zum jetzigen Zeit
Gespritzt wird bei den Weilheimer Wengertern so wenig wie möglich. Weinbau ganz ohne Pflanzenschutz halten sie zum jetzigen Zeitpunkt jedoch für undenkbar. Foto: Carsten Riedl
Seit 1990 existiert das Naturschutzgebiet an der Weilheimer Limburg. Foto: Carsten Riedl
Seit 1990 existiert das Naturschutzgebiet an der Weilheimer Limburg. Foto: Carsten Riedl

Dass ihr kleines Weinbaugebiet etwas ganz Besonderes ist, wissen die Weilheimer nur zu gut. Nicht nur, dass sie sich offiziell mit dem höchsten Weinberg Württembergs brüsten können. Glaubt man Hobby-Wengerter Rainer Bauer, so ist es auch das einzige Weinbaugebiet Württembergs, das in einem Naturschutzgebiet gelegen ist. Genau das könnte ihm und den anderen Weinbauern jetzt zum Verhängnis werden. Denn im Juli hat der Landtag eine Änderung des Naturschutzgesetzes beschlossen. Darin ist festgeschrieben, dass ab 2022 der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten verboten ist. Die Hobby-Weingärtner an der Limburg fürchten nun das Aus für den Weinbau an der Limburg.

„Mit unseren jetzigen Kulturen funktioniert der Weinbau ohne Pflanzenschutz nicht“, sagt Rainer Bauer, Mitglied im Verein der Weilheimer Weinbergbesitzer. Dabei wird schon längst nicht mehr so viel gespritzt wie früher. „Insektizide kommen gar nicht zum Einsatz“, so Bauer. Bienengefährliche Mittel sind sowieso tabu. Nach wie vor unerlässlich dagegen ist die Behandlung der Reben gegen Pilzkrankheiten. „Da geht es hauptsächlich um den falschen und den echten Mehltau.“ Schlägt der Pilz zu und wird nicht bekämpft, werden die Blätter weiß, die Trauben vertrocknen und der Weinstock kann absterben.

„Für uns wäre es gar kein Problem, auf Bio-Mittel umzustellen“, betont Rainer Bauer. „Wir setzen jetzt schon Kupfer und Schwefel ein.“ Eine Lösung ist das in dem Fall aber nicht: Denn selbst biologische Spritzmittel verbietet das neue Gesetz. Der einzige Ausweg wäre es, auf pilzresistente Stöcke umzustellen. „Aber das würde lange dauern.“ Ohnehin sei nicht garantiert, dass Spritzen dann ganz entfällt. „Einer unserer Weingärtner hat solche Stöcke und muss sie trotzdem behandeln“, weiß Rainer Bauer und fügt hinzu: „Wein ist eine Kulturpflanze, und die braucht nun mal Pflege.“

Die einzige Hoffnung für den Weinbau an der Limburg außer einer Gesetzesänderung wäre eine Ausnahmegenehmigung. Letztere sieht das neue Gesetz durchaus vor - allerdings nur für „land- und fischereiwirtschaftliche Betriebe“. „Und wir sind ja kein Betrieb, der Weinbau ist unser privates Hobby“, so Rainer Bauer.

Rückendeckung gibt es jedoch von allen Seiten. Alle drei Kirchheimer Landtagsabgeordnete versichern, sich für die Weilheimer Weingärtner einzusetzen. „Ich bin zuversichtlich, dass man eine Lösung findet“, sagt Andreas Schwarz, der für die Grünen im Landtag sitzt. Zwar sei es nicht an ihm, über eine Ausnahmegenehmigung zu entscheiden. „Zuständig ist die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt“, sagt er. Die Option sei aber bewusst aufgenommen worden, und die Chancen auf eine Ausnahme stünden aus seiner Sicht gut. „Es geht ja nicht um ein industrielles Unternehmen, das die Natur ausmostet“, betont er. „Rainer Bauer und die anderen Wengerter engagieren sich in hervorragender Weise für den Erhalt der Kulturlandschaft an der Limburg.“

Das sieht auch der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann so. Seine Fraktion geht sogar noch weiter: „Fällt der Weinbau weg, wäre die Tier- und Pflanzenwelt im Naturschutzgebiet an der Limburg akut gefährdet“, schildert er deren Position und betont: „Wir brauchen den Weinbau für den Naturschutz.“ Und nicht nur dafür: „Eine solche Tradition darf nicht kaputtgehen. Wir müssen unbedingt eine Regelung finden“, sagt er und verspricht, weiter für den Weinbau zu kämpfen.

Stadt bietet Hilfe an

Für Andreas Kenner, der nicht nur SPD-Landtagsabgeordneter, sondern auch bekennender Fan des Weilheimer Bertoldweins ist, gehört der Weinbau einfach zur Limburg. „Wir müssen froh sein, dass es Leute gibt, die das mit Herzblut machen“, sagt er. So wichtig der Artenschutz sei - er dürfe nicht regional erzeugten Produkten im Weg stehen und dem Import billiger Auslandswaren Vorschub leisten. Nicht zuletzt fürchtet er um die Landschaft. „Die Alternative ist, dass dort statt Wein Brombeerhecken wachsen.“ Das sieht auch Rainer Bauer so: Eine andere Nutzung ist für ihn am steilen Hang des Weilheimer Hausbergs kaum denkbar. „Die Grundstücke würden zudem massiv an Wert verlieren“, fürchtet er.

Hilfe winkt auch seitens der Stadt. „Für Bürgermeister Johannes Züfle steht fest: „Sollte es im Genehmigungsverfahren Schwierigkeiten geben, biete ich Unterstützung an.“ Denn für Weilheim habe Weinbau an der Limburg große Bedeutung: „Er bereichert unsere Kulturlandschaft, schafft schmackhafte heimische Produkte und trägt mit den Bertoldweinen zur Pflege unserer großen Stadtgeschichte bei.“

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Gesetzesänderung geht auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ zurück

Die Änderung des baden-württembergischen Naturschutzgesetzes geht auf das Volksbegehren Artenschutz mit dem Titel „Rettet die Bienen“ zurück. Es war - initiiert vom Institut „proBiene“, Öko- und Naturschutzverbänden - im September 2019 gestartet. Damit es Erfolg hat, hätten die Initiatoren innerhalb von sechs Monaten 770 000 Unterschriften sammeln müssen.

Die Naturschützer hatten auch einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Zu den Forderungen darin gehörte etwa eine Ökolandbau-Quote von 50 Prozent bis zum Jahr 2035, eine Halbierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und - außer in Ausnahmefällen - ein komplettes Verbot von Pestiziden in Naturschutzgebieten.

Im Dezember 2019 wurde das Volksbegehren gestoppt. Gemeinsam mit den Initiatoren und den Bauernverbänden, die sich per Volksantrag gewehrt hatten, arbeitete die Landesregierung einen alternativen Gesetzesentwurf aus.

Verabschiedet wurde die Änderung des Naturschutzgesetzes am 22. Juli dieses Jahres. Die Neuerungen zielen auf die Artenvielfalt und den Erhalt der Streuobstwiesen ab und enthalten Verbote zum Einsatz von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten und Gärten. Ausdrücklich lässt das Gesetz aber Ausnahmen zu. bil