Weilheim und Umgebung

Wertvolle Hilfe aus dem Osten

Pflege Auch in der Teckregion betreuen osteuropäische Pflegekräfte ältere Menschen in ihren eigenen vier Wänden. Die Frauen sind Pflegeberaterin Uta Kümmerle zufolge unerlässlich geworden. Von Heike Siegemund

Uta Kümmerle,  Gründerin der Bissinger Nachbarschaftshilfe, hat sich als Pflegeberaterin selbstständig gemacht. Foto: Heike Sieg
Uta Kümmerle, Gründerin der Bissinger Nachbarschaftshilfe, hat sich als Pflegeberaterin selbstständig gemacht. Foto: Heike Siegemund

Ist eine osteuropäische Pflegehaushaltshilfe eine Alternative zum Pflegeheim? Diese Frage treibt viele ältere Menschen und ihre Angehörigen um - auch in Bissingen. Mehr als 50 Interessierte waren ins Rathaus gekommen, um den Vortrag „Betreut daheim - rund um die Uhr“ von Uta Kümmerle zu hören und den Dokumentarfilm „Die alte Dame und die Pflegerin“ zu sehen. In dem Film geht es um eine Polin, die ihre Familie verlässt, um in Deutschland als Pflegekraft zu arbeiten - zwei Welten treffen aufeinander.

„Die meisten Menschen möchten in ihrem Zuhause alt und auch gepflegt werden“, sagte Uta Kümmerle. Sie hat vor 30 Jahren die Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen und war dort viele Jahre lang Einsatzleiterin. Mittlerweile hat sich die examinierte Krankenschwester, Gesundheits- und Krankenpflegerin mit der „Pflegeberatung Esslingen“ selbstständig gemacht. Aus ihrer Arbeit weiß sie: „Die Frauen aus Osteuropa sind eine unerlässliche Ergänzung zu den Pflegediensten. Ohne sie geht es nicht mehr.“ Denn aufgrund von Personal- und Zeitmangel stoßen die Pflegedienste an ihre Grenzen, ergänzte die Referentin.

Nach dem Mauerfall haben sich viele Menschen aus Polen auf den Weg nach Deutschland gemacht, um ihre Dienstleistungen in Haushalten anzubieten. Anfangs noch als Schwarzarbeit. Inzwischen sind die Frauen fester Bestandteil des Pflegesystems geworden. „Diakonie und Caritas bemühen sich seit 2011 um eine seriöse und legale Zusammenarbeit. Sie suchten Partner in Polen und gründeten ,FaireCare‘ und ,Carifair‘.“

Trotz der Vorteile, die eine Betreuung zu Hause durch osteuropäische Frauen bietet, erfordert die Situation ein hohes Engagement der Angehörigen. Dringend zu vermeiden sei eine Überlastung der Frauen, sagt Uta Kümmerle:. „Es gibt keine 24-Stunden-Pflege durch nur eine Person. Jeder braucht Ruhe- und Freizeiten.“ Die osteuropäische Pflegekraft dürfe maximal zehn Stunden am Tag an maximal sechs Tagen pro Woche arbeiten. „Den Rest müssen Familie, Nachbarschaftshilfe oder Sozialstation abdecken.“

Wichtig sei, dass der Pflegekraft im Haus ein Zimmer zur Verfügung steht, in das sie sich zurückziehen kann. „Es sollte mindestens zwölf Quadratmeter groß und abschließbar sein. Es ist eine Tabuzone für die Familie.“ Eine gemeinsame Nutzung des Badezimmers sei kein Problem. Voraussetzung sei heutzutage Internetanschluss. „Ohne Internet kriegt man keine motivierten Frauen mehr.“ Sie möchten zum Beispiel mit ihren Familien skypen, manche machen einen Online-Sprachkurs. „Die Frauen aus Osteuropa haben ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl“, so Kümmerle. „Sie brauchen Wertschätzung“, denn mit einem zunächst fremden, pflegebedürftigen Menschen zusammenzuleben, sei nicht immer einfach.

Mit Blick auf die Kosten für eine osteuropäische Pflegekraft sagte die Referentin: „Über die Pflegeversicherung gibt es Pflegegeld. Dies ist allerdings nur ein Zuschuss. Den Rest muss man selbst finanzieren.“ Insgesamt sei mit mehr als 2 000 Euro pro Monat zu rechnen. Wichtig sei, mit einer seriösen Pflegevermittlung zusammenzuarbeiten, die sich an bestimmte Kriterien hält. Zum Beispiel sollte sie Pflichten bezüglich Sozialversicherung und Versteuerung erfüllen, kompetente Ansprechpartner zur Verfügung stellen, eine angemessene Kündigungsfrist bieten und im Notfall einen zeitnahen Ersatz der Pflegekraft gewährleisten.

Das Programm im Festjahr

Zum 30-jährigen Bestehen der Bissinger Nachbarschaftshilfe finden weitere Veranstaltungen statt: Rechtsanwalt Rolf-Rüdiger Most spricht am Dienstag, 10. Juli, um 19 Uhr im Rathaus über „Rechtliche Vorsorge für Leben und Tod“. Am Mittwoch, 10. Oktober, ab 14.30 Uhr gibt es in der Gemeindehalle einen Seniorennachmittag mit schwäbischer Mundart. Am Mittwoch, 30. Mai, ab 13.30 Uhr geht es nach Oberboihingen zum Tachenhäuser Hof, im Dezember findet ein Ausflug zum Weihnachtsmarkt nach Kirchheim mit historischer Stadtführung statt.hei