Weilheim und Umgebung

Wie Österreich in Weilheim verewigt ist

Vortrag Tilmann Marstaller löst im doppelten Jubiläumsjahr das eine oder andere Rätsel im Bildprogramm und in der Baugeschichte der Peterskirche. Von Andreas Volz

Ihr Gewölbe hat die Weilheimer Peterskirche erst ab 1517 erhalten - aus statischen Gründen. Im Rosenkranzbild (links) sind bis h
Ihr Gewölbe hat die Weilheimer Peterskirche erst ab 1517 erhalten - aus statischen Gründen. Im Rosenkranzbild (links) sind bis heute Kaiser Karl V. und sein Bruder Ferdinand verewigt, wie Tilmann Marstaller in seinem Jubiläumsvortrag ausführte. Das Bild unten rechts zeigt mutmaßlich Pfarrer Hans Sattler - als Hüter der reinen katholischen Lehre. Fotos: Markus Brändli
1250 Jahre Weilheim, Stadtjubiläum, Vortragsreihe in der Peterskirche, Dr. Wendt, Tillmann Marstaller und Manfred Waßner

Geschichte passiert nicht - Geschichte wird gemacht: Unter dieser Prämisse hat der Mittelalterarchäologe und Bauforscher Tilmann Marstaller bei seinem „Heimspiel“ in Weilheim das Bildprogramm der Peterskirche erklärt. Für das eine oder andere Zahlen-Rätsel hatte er - passend zur Abschlussveranstaltung des Weilheimer Jubiläumsjahrs - eine überraschende Lösung parat: „Jubiläumszahlenspiele“.

Weilheim hat dieses Jahr gleich zwei Jubiläen gefeiert: 1250 Jahre sind seit der ersten urkundlichen Nennung vergangen. Außerdem ist die Stadterhebung mit dem Jahr 1319 verknüpft. Weilheim ist also seit 700 Jahren eine stolze Stadt.

Auf 1319 bezieht sich auch das Stifterbild im Chor der Peterskirche. Links kniet Stadtgründer Ulrich von Aichelberg in frommer Andacht. Vor dem Grafen ist sogar ein Herzog postiert: Berthold II. von Zähringen, der 1089 den romanischen Vorgängerbau der Peters­kirche gestiftet haben soll. Kurz danach verlagerte er allerdings das Zentrum seiner Herrschaft in den Breisgau und gründete das Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald.

Peterskirche Weilheim

Jahreszahlen als „Henne und Ei“

Damit passt die Jahreszahl 1089 für die Kirchenstiftung in Weilheim wunderbar ins späte 11. Jahrhundert. Für Tilmann Marstaller passt sie allerdings ein bisschen zu wunderbar: 1489 hat in Weilheim der Bau der spätgotischen Peterskirche begonnen, für den die alte romanische Kirche komplett abgetragen worden war. Wurde hier dem Zufall nachgeholfen? „1489 war auf jeden Fall das ,Ei‘, und es würde mich nicht wundern, wenn man damals die Jahreszahl 1089 als ,Henne‘ dazuerfunden hätte.“

Auch bei der Stadtgründung 1319 war die Jahreszahl passend, um Geschichte wirkungsvoll zu gestalten. Kurz nach Fertigstellung der „neuen“ Peterskirche waren umfangreiche Umbauten nötig, wie Tilmann Marstaller erläuterte: „Die Deckenbalken bogen sich, und man musste das schwere Dach sichern.“ Deshalb erhielt die Kirche nach 1517 außer ihrem Turm auch das Kreuzrippengewölbe und die Arkatur im Langhaus. Die flache Decke wurde mit dem Kreuzgewölbe unterbaut.

Peterskirche Weilheim

Das hatte auch Auswirkungen auf das „Jüngste Gericht“ über dem Chorbogen: Der Weltenrichter war „kopflos“ geworden und erhielt einen neuen Kopf im Gewölbe. Eine andere Änderung im „Jüngsten Gericht“ hat nur teilweise mit der abgehängten Decke zu tun: Petrus als Kirchenpatron war ebenfalls im Dachstuhl „verschwunden“. Also malte man das Gesicht des bärtigen Apostels auf die Figur zur Rechten Jesu. Diese Figur war ursprünglich dessen Mutter Maria. Zum protestantischen Bildprogramm passte Maria ohnehin nicht mehr.

Ansonsten aber sind die Bilder in der protestantischen Peterskirche bis heute erstaunlich katholisch geprägt. Das liegt am Herrschaftswechsel in der entscheidenden Zeit: Turm- und Gewölbebau in der Peterskirche wurden 1517 begonnen und 1522 beendet. Dazwischen liegt das entscheidende Jahr: 1519. Der Habsburger Karl V. war gerade zum Nachfolger seines Großvaters, Kaiser Maximilians I., gewählt worden, und Württembergs Herzog Ulrich wollte die Reichsstadt Reutlingen seinem Territorium einverleiben. Die Folge: Der Schwäbische Bund vertreibt den Herzog - und Würt­temberg wird habsburgisch.

Die Habsburger beriefen sich zur Legitimation ihrer Herrschaft auf ihre Verwandtschaft mit den Zähringern: Diese Verwandtschaft beschrieb in Freiburg gerade Jakob Mennel in seiner „Fürstlichen Chronik“. Der Bezug von 1519 auf 1319 ist in diesem Zusammenhang also auch als bewusstes „Jubiläums­zahlenspiel“ zu sehen.

Peterskirche Weilheim

Ein Bekannter Jakob Mennels - Johannes oder Hans Sattler - war Kaplan in Freiburg, aber auch Pfarrer in Weilheim. Das Rosenkranzbild in der Peterskirche dürfte auf eine Stiftung Sattlers zurückgehen, nach dessen Tod 1523. Sattler soll darauf ebenso abgebildet sein wie Kaiser Karl V. und dessen Bruder Erzherzog Ferdinand, der habsburgische Statthalter in Württemberg. Österreich bleibt also bis heute in Weilheim verewigt.

„Hüte die bedrohten Schafe“

Wahrscheinlich findet sich Hans Sattler auch an der Kanzel der Peterskirche abgebildet. Der dazugehörige lateinische Spruch lässt sich übersetzen mit: „Hüte die Schafe, die ein hungriger Räuber bedroht.“ Tilmann Marstaller nannte dazu sogar noch einen konkreten „Räuber“: den namensgleichen Michael Sattler, der Prior des Klosters St. Peter auf dem Schwarzwald war, dann aber dem Protestantismus und sogar dem Täufertum anhing.

Die Lösung dieses Rätsels wäre dann ein anderer Vorschlag, wie sich der „hungrige Räuber“ übersetzen ließe: „willfähriger Dummschwätzer“. Somit wäre Michael Sattler zu Füßen Hans Sattlers der Wolf im Zottelpelz, der die katholischen Schafe durch reformatorische Reden bedroht - und das auch noch im Jubiläumsjahr 2019.