Weilheim und Umgebung

„Wir denken das Bestehende weiter“

Architektur Der Bissinger Student Mortiz Berger baut derzeit für die Organisation Supertecture in Nepal an einem Lodge-Hotel mit. Die Helfer achten besonders darauf, lokale Traditionen zu berücksichtigen. Von Thomas Zapp

Toller Panaromablick: Auf diesen Terrassen auf einem ehemaligen Maisfeld entsteht die Community Lodge. Foto: pr
Toller Panaromablick: Auf diesen Terrassen auf einem ehemaligen Maisfeld entsteht die Community Lodge. Foto: pr

Von Supertecture hörte der Bissinger Architekturstudent Moritz Berger erstmals vor einem Jahr während eines Praxissemesters in Italien. Die gemeinnützige Vereinigung von Studenten setzt auf Architektur als Hilfsmotor für Regionen, wie das vom Erdbeben gebeutelte Dorf Dhoksan in Nepal. Moritz Berger, der sich im Rahmen seines Praxissemesters mit alternativen Baustoffen wie Bambus beschäftigte, hat das Projekt so sehr begeistert, dass er selbst nach Nepal gegangen ist. Bis Februar arbeitet er dort an einem Hotel für Einheimische mit.

„Auf den schönsten Kartoffel- und Maisfeldern Nepals“ entsteht nach Angaben der Freiwilligen-Organisation 2000 Meter über dem Meeresspiegel ein kleines Gästehaus mit 180 Grad-Himalaya-Panorama. Für die künftige „Community Lodge“ sind bislang 20 000 Euro per Crowdfunding im Internet zusammengekommen. Dabei handelt es sich um eine Geldeinlage vieler kleiner Investoren. Das insgesamt 140 Quadratmeter große Mini-Hotel wird aus sieben Würfeln bestehen. „Das Besondere ist, das jedes Haus aus einem anderen Material und einer anderen Bauweise besteht. Dabei versuchen wir, uns auf den Standort einzulassen und lokale Materialien zu verwenden“, erklärt Moritz Berger.

Moritz Berger mit einem Einheimischen während der Bauarbeiten an der Lodge. Foto: pr
Moritz Berger mit einem Einheimischen
während der Bauarbeiten
an der Lodge. Foto: pr

So benutzt er für „seinen“ Kubus schwarzen Lehm aus einer nahe gelegenen Baugrube. „Außerdem sammeln wir Plastikflaschen und verarbeiten diese zu Fassadenschindeln“, erklärt er. So entsteht auch ein Haus aus recycelten Glasflaschen sowie weitere Gebäudeteile aus vor Ort hergestellten Ziegelsteinen. Auch Schindeln aus geschmolzenem Plastikmüll oder eine Terrasse mit einer Holztüren-Faltwand, deren Materialien aus vom Erdbeben zerstörten Häusern stammen, werden verbaut.

Das Gästehaus wird nach Fertigstellung der Dorfgemeinschaft von Dhoksan übergeben. Denn, so Berger, vom Tourismus in Nepal profitiert die einheimische Bevölkerung in der Regel kaum. Mit der Lodge kann dafür gegründete Genossenschaft aus 1000 Dorfmitgliedern das erwirtschaftete Geld in wichtige Infrastruktur stecken, etwa in den Schulbau oder in eine Krankenstation. „Die Grundidee besteht darin, einen wirtschaftlichen Motor für das Dorf zu kreieren, welcher kontinuierlich Einnahmen generiert“, erklärt Moritz Berger. Der 23-Jährige sieht sich auf Augenhöhe mit den Einheimischen. „Im Grunde geht es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen und sie mit ressourcenschonender und nachhaltiger Bauweise zu inspirieren“, sagt er. Das Projekt soll kein zwanghafter Eingriff in die Kultur, sondern ein Weiterdenken des Bestehenden sein. Man lerne voneinander. „Dies führt zu einem intensiven Austausch mit der Bevölkerung. Aber diese Abhängigkeit ist nicht immer leicht“, räumt er ein.

Dafür sind die Helfer mittlerweile ein fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft und leben wie die Einheimischen in einem selbst umgebauten Lehmhaus, einem ehemaligen Ziegenstall. „Unser Zuhause sitzt mitten im Geschehen, daher nehmen wir sowohl an der Reisernte als auch an Hochzeitsfeiern teil“, erzählt er.

Den unmittelbaren Kontakt zu den Leuten vor Ort sieht der Bissinger als großen Vorteil. „Man merkt, wie so ein Projekt Menschen vereinen und weiterbringen kann“, sagt er.

Allerdings stelle sich an vielen Punkten auch heraus, dass sich die Idee vom Alltag unterscheidet. Traditionen und Kulturen spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Infrastruktur und das Klima. „Interessant ist, wie hier gelebt und gearbeitet wird, wie der Familienbezug eine wichtige Rolle spielt oder wie der buddhistische Kalender unseren Arbeitsalltag durchkreuzt“, berichtet Moritz Berger.

Beeindruckt hat ihn, wie die Leute vor Ort improvisieren können und für jedes Problem eine Lösung finden. „Meist merkt man das erst, wenn man unseren Überfluss an Angeboten in Deutschland nicht auf Abruf hat“. Gegenseitiger Respekt ist für ihn daher wesentlich bei dieser Art von Hilfe: „Wichtig ist, sich selbst zu reflektieren und den Prozess zu hinterfragen, nicht zu versuchen die Menschen vor Ort umzukrempeln, sondern sie zu bereichern und zu inspirieren.“

Info Wer die Community Lodge unterstützen will, kann sich auf www.supertecture.com informieren oder direkt in das Projekt investieren und zwar auf der Crowdfunding-Plattform www.startnext.com/nepal-community-lodge-vol2.