Weilheim und Umgebung

Wochenlang nur Kirschen im Kopf

Ernährung Die Kirschen sind so etwas wie das Gold Neidlingens. Kein Wunder also, dass die Landfrauen-Vereinsvorsitzende des Ortes, Ulrike Braun, im Juni ein Rezept mit Kirschen präsentiert. Von Cornelia Wahl

Ulrike Braun beim Kirschenpflücken. Das rote Steinobst verarbeitet sie zum Beispiel zu Kirschennudeln.
Ulrike Braun beim Kirschenpflücken. Das rote Steinobst verarbeitet sie zum Beispiel zu Kirschennudeln.

In der Kirschenzeit herrscht in Neidlingen Ausnahmezustand“, erzählt Ulrike Braun. Sechs bis acht Wochen lang strahlt das knall- bis dunkelrote herzförmige Steinobst zwischen den grünen Blättern der Bäume hervor. Wochen, in denen „die Neidlinger nur Kirschen im Kopf haben“, sagt sie lächelnd. Kein Wunder, zählt doch die Biosphärengemeinde mit ihren annähernd 1 800 Einwohnern mehr als 20 000 Kirschbäume und damit zu einer der größten Kirschenanbaugemeinden in Baden-Württemberg.

Deshalb darf auch bei Familie Braun die Kirsche auf dem Essensplan nicht fehlen. Mindestens einmal im Jahr müssen die von der Neidlingerin vorgestellten süßen Kirschennudeln auf den Tisch. „Das ist eine der Lieblingsspeisen meiner drei Kinder“, verrät sie. Die Kirschennudeln kennt sie von ihrer Schwiegermutter. In ähnlicher Form steht das „relativ einfach zu machende Rezept“ im „Neidlinger Kirschenbüchle“. Dort finden Kirschenliebhaber und solche, die es werden wollen, Wissenswertes und Rezepte rund um das rote Steinobst, zusammengetragen von den Neidlinger Landfrauen. Allerdings variiert Ulrike Braun das Rezept, was an der Menge liegt, die sie benötigt. Und statt zu Nudeln formt sie den Hefeteig zu Brötchen. Für den Teig nimmt die Landfrau 500 Gramm Mehl, einen Würfel Hefe, einen Viertelliter lauwarme Milch, 80 Gramm Zucker, zwei Eier, 60 Gramm flüssige Butter und einen halben Teelöffel Salz. Und statt mit Milch bestreicht sie die Hefeteig-Kirschbrötchen vor dem Backvorgang mit einem Ei. Die Backzeit beträgt im vorgeheizten Backofen etwa 20 Minuten, bis die „Kirschennudeln“ eine goldbraune Farbe haben.

„In der Zeit der Kirschblüte wird Neidlingen zum Touristenort. Mit Bussen reisen die Wanderwilligen zuweilen an, um die schneeweiße Blütenpracht zu bewundern. Die Hoch-Zeit der Kirsche im Ort lag in den 1960er- bis 1980er-Jahren“, erzählt sie und fügt hinzu, „nicht nur für die Bauern und die Nebenerwerbslandwirte sind die Kirschen eine wichtige Einnahmequelle, sondern sie sind auch wichtig für die Gemeinde.“ Früher hat die damalige Genossenschaftsbank im Ort die Kirschen angenommen und war Umschlagplatz für das Obst. Viele Händler kamen von weit her, um Neidlinger Kirschen zu erstehen und auf Märkten weiterzuverkaufen. „Einmal, so erzählt man sich“, sagt die Landfrau, „ist ein Lkw-Fahrer von weit her früh am Morgen nach Neidlingen zum Kirschenkaufen angereist. Leider zu früh. Er legte sich noch mal aufs Ohr. Als er wach wurde, waren alle Kirschen bereits weg.“ Auch heute noch kommen Händler von weiter her nach Neidlingen, um das Neidlinger Kirschen-Gold zum Beispiel auf den Märkten in Stuttgart oder Ulm zu vertreiben.

Gemeinsam mit Elsbeth Linsenmayer lenkt Ulrike Braun seit 2004 die Geschicke des Landfrauenvereins in Neidlingen. Zu den Landfrauen kam Ulrike Braun durch ihre Mutter. Sie hatte die Idee dazu und startete im Jahr 1969 einen Aufruf, dem 20 Frauen folgten. Ulrike Braun ist also mit den Landfrauen groß geworden. Und sie freut sich, dass der Verein unter dem Reußenstein im nächsten Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern kann. „Wie es dann weitergeht, wird man sehen“, sagt sie schon fast ein bisschen skeptisch. Derzeit zählt der Verein 50 Frauen. „Das waren auch schon mal 100. Aber da geht es uns wie anderen Vereinen auch“, bemerkt sie. Außer über den Mitgliedsbeitrag finanzieren sich die Landfrauen in Neidlingen über den Zwetschgenmarkt, den sie alljährlich am 21. September ausrichten - es sei denn, der Tag fällt auf einen Sonntag.

Neben dem Angebot an Vorträgen und für das Allgemeinwohl schmücken die Neidlinger Landfrauen jedes Jahr zu Ostern fünf Brunnen mit Buchs. „Das wird immer problematischer“, erzählt Ulrike Braun. Grund ist der Buchsbaumzünsler, der die Buchsbäume in den vergangenen Jahren quasi dahingerafft hat. „Wie es damit im Jahr 2019 aussieht, wer weiß?“

Süße Kirschnudeln

Originalrezept aus dem „Neidlinger Kirschenbüchle“

Zutaten: 300 Gramm Mehl 40 Gramm Zucker 50 Gramm Butter 1 Ei 15 Gramm Hefe 1/8 Liter lauwarme Milch

Für die Füllung: frische, gewaschene Süßkirschen

Zubereitung: Aus den Zutaten einen Hefeteig herstellen. Den fertigen Teig 15 Minuten gehen lassen.

Den Hefeteig dünn auswellen und zehn mal zehn Zentimeter große Vierecke ausrädeln. Darauf sechs bis acht frische Süßkirschen geben und die Enden fest übereinander schlagen. So auf das Backblech setzen, dass die glatte Oberfläche oben ist.

Im auf 200 Grad Celsius vorgeheizten Backofen werden die Kirschennudeln für 20 bis 30 Minuten gebacken. Nach zehn Minuten werden die Kirschennudeln mit Milch bestrichen und fertig gebacken. Guten Appetit! cw