Weilheim und Umgebung

Zwischen Englischunterricht und Notaufnahme

Coronakrise Elke Amend-Gebühr, Leiterin der Weilheimer Werkrealschule, hat drei Wochen lang im Kirchheimer Krankenhaus ausgeholfen. Von Bianca Lütz-Holoch

Elke Amend-Gebühr ist während der Zeit der Schulschließung wieder in die Rolle der Krankenschwester geschlüpft.Foto: pr
Elke Amend-Gebühr ist während der Zeit der Schulschließung wieder in die Rolle der Krankenschwester geschlüpft. Foto: pr

Geschlossene Schulen und dann noch Osterferien: Eigentlich hätte Elke Amend-Gebühr einfach mal zu Hause bleiben und die Füße hochlegen können. Das kam für die Konrektorin und kommissarische Leiterin der Weilheimer Werkrealschule aber nicht infrage. Sie hat während der Corona­krise drei Wochen lang in der Notaufnahme des Kirchheimer Krankenhaus gearbeitet.

„Als die Schulen schließen mussten, haben wir eine Mail vom Regierungspräsidium erhalten“, berichtet Elke Amend-Gebühr. Darin hieß es, dass sich Lehrkräfte, die einen gesundheitsrelevanten Beruf erlernt haben, eine Zeit lang abordnen lassen können. „Ich habe nach dem Abitur eine Ausbildung zur staatlich examinierten Krankenschwester absolviert“, erzählt die 52-Jährige. Auch wenn sie heute Lehrerin aus Überzeugung ist - den Beruf der Krankenschwester und den Florence-Nightingale-Gedanken hat sie nie abgelegt. „Er begleitet mich immer noch und ist ein wichtiger Teil von mir.“

Vor den Osterferien hospitierte Elke Amend-Gebühr erst einmal in der Klinik. „Es war ja gar nicht klar: Kann ich das überhaupt noch?“ Schnell stellte sich heraus: Sie kann - und wie. In den Osterferien und der Woche danach nahm sie in der Notaufnahme des Kirchheimer Krankenhauses Blut im Akkord ab, versorgte Wunden, schrieb EKGs und bereitete den OP vor. „Ich bin unglaublich froh, dass das alles sofort wieder lief“, zeigt sich Elke Amend-Gebühr erleichtert. Alkoholvergiftungen, Herzinfarkte, Unfallopfer und schwere Essstörungen - mit all dem hat sie zu tun gehabt. Auch Covid-Patienten schlugen bei ihr auf. Angst davor, sich mit dem Virus anzustecken, hatte die Kirchheimerin nie. „In meiner Ausbildungszeit gab es viele HIV-Fälle, Tuberkulose und Hepatitis“, sagt sie. „Ich bin darin ausgebildet, Ansteckung zu vermeiden.“

Ohnehin hat Elke Amend-Gebühr das Covid-Management am Kirchheimer Klinikum als vorbildlich empfunden. „Alles war sehr gut vorbereitet, organisiert und strukturiert“, sagt sie. Es habe hohe Hygienemaßstäbe und exakte Vorgaben gegeben, wie mit Verdachtsfällen zu verfahren ist. Festgestellt hat sie, wie anstrengend es ist, unter den strengen Schutzauflagen zu arbeiten. „Durch die Masken kann man schlecht atmen, und man muss die Schutzkleidung zig Mal am Tag an- und ausziehen.“

In den 30 Jahren seit ihrem Krankenschwester-Examen hat Elke Amend-Gebühr ihr Wissen immer wieder aufgefrischt. Ihr Studium finanzierte sie durch Nachtwachen. Vor zwei Jahren begann sie, im Krankenhaus auszuhelfen - im Rahmen einer einjährigen Nebenbeschäftigung. Der Hintergrund: „Ich hatte geplant, eine Zeit lang als Krankenschwester in Indien zu arbeiten.“ Daraus wurde jedoch wegen des akuten Lehrermangels in Deutschland nichts - vorerst. „Die Pläne sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.“

Ganz aus dem Schullalltag herausnehmen konnte sich Elke Amend-Gebühr als Schulleiterin sowie Deutsch- und Englischlehrerin einer Abschlussklasse auch während ihrer Zeit am Klinikum nicht: „Manchmal habe ich morgens am Telefon unterrichtet und bin danach zur Spätschicht gegangen“, berichtet sie und fügt hinzu: „Ich bin extrem stressresistent.“

Aus der Notaufnahme hat sie jede Menge Wissen, Erfahrung und Erkenntnisse mitgenommen. Beeindruckt war sie von den Mitarbeitern. „Fachlich kompetent und kollegial“, lautet ihr Urteil. Eine Reihe ihrer Kollegen kam aus anderen EU-Ländern. „Dort werden Krankenschwestern teilweise ganz anders ausgebildet“, hat sie erfahren. Sie würde sich wünschen, dass auch Deutschland die Ausbildung auf eine neue Basis stellt und etwa Studiengänge anbietet. „Dann bekommt dieser anspruchs- und verantwortungsvolle Beruf vielleicht endlich die Wertschätzung, die er verdient und wird auch angemessen bezahlt.“

Mehr Unsicherheit als Anerkennung erwartete die Kirchheimerin, als sie wieder an die Schule zurückkehrte. „Viele wussten nicht, wie sie mir begegnen sollen“, hat Elke Amend-Gebühr festgestellt. Vom Schulamt holte sie sich deshalb eine Bescheinigung, dass sie aufgrund der strengen Schutzbestimmungen im Krankenhaus kein größeres Ansteckungsrisiko darstellt als andere Lehrer.

In der Notaufnahme wird Elke Amend-Gebühr auch künftig aushelfen - neben ihrem Job als Lehrerin und Schulleiterin: „Ich übernehme ein paar Schichten pro Monat.“ Damit möchte sie einen Beitrag dazu leisten, den Mangel an Klinik-Fachpersonal zu lindern.

Lehrer melden sich freiwillig

Zehn Lehrer aus dem Kreis Esslingen sind nach Informationen des Schulamts Nürtingen dem Ruf des Kultusministerium gefolgt und haben während der Schulschließungen anlässlich der Coronakrise freiwillig in Kliniken ausgeholfen. Alle hatten zuvor schon in gesundheitsrelevanten Bereichen gearbeitet.

Schulamtsleiterin Dr. Corina Schimitzek lobt das Engagement der Lehrer. „Ich habe mich riesig über ihre Bereitschaft gefreut.“ Sorgen, dass sie ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die Schulen bedeuten, seien unnötig: „Da achtet auch das Gesundheitsamt drauf.“bil