Weilheim und Umgebung

Zwischen Witz und grausamer Realität

Vortrag Leben am Limit: Survival-Experte und Aktivist Rüdiger Nehberg hat im Holzmadener Urweltmuseum nicht nur über spektakuläre Erlebnisse gesprochen, sondern auch sein „großes Finale“ verraten. Von Sabine Ackermann

Viele der insgesamt 31 Bücher Rüdiger Nehbergs (links) waren bei seinem Vortrag in Holzmaden sehr gefragt. Foto: Sabine Ackerman
Viele der insgesamt 31 Bücher Rüdiger Nehbergs (links) waren bei seinem Vortrag in Holzmaden sehr gefragt. Foto: Sabine Ackermann

Lieber Rüdiger, dein Film lief genau an meinem Geburtstag. Das Tollste war, als du der Schlange den Frosch geklaut hast. Da rutschte meine Mutter ganz langsam vom Stuhl und wurde ohnmächtig. Das war mein schönstes Geburtstagsgeschenk. Danke, Dein David“ - handgeschriebene Zeilen, die eben jener David einst an Rüdiger Nehberg schickte und die der Weltenbummler bei jedem seiner Vorträge an die Wand wirft. Vermutlich aus dem Grund, weil sie inhaltlich das widerspiegeln, was den 84-Jährigen ausmacht. Unerschrocken in, mit und für das Wohl der Natur, Sinn für Humor und als selbst ernannter „Aktivist für Menschenrechte und Abenteuer mit Sinn“ das feine Gespür für das Wesentliche.

Nehberg ist in Sachen Überlebenskunst, Hartnäckigkeit und Weitblick eine Koryphäe mit Biss - kein Wunder, dass das Urweltmuseum Holzmaden voll besetzt war und ein Großteil seiner mittlerweile 31 Bücher wie geschnitten Brot wegging. Seine erste Survival-Erfahrung macht er als Vierjähriger, als er zu seiner Großmutter ausbüxt, um dort an Süßigkeiten zu kommen. Er verläuft sich und ist stundenlang verschollen. Mit 17 startet er mit dem Fahrrad nach Marrakesch, und seine Enttäuschung ist groß, als er sieht, wie schlecht dort die Schlangen gehalten werden. Seitdem hat Rüdiger Nehberg auf seinen ständigen Reisen unzählige Abenteuer erlebt, wurde am blauen Nil überfallen und beschossen. Als Test für seine künftigen Aktionen im Urwald legte er 1981 auf seinem dreiwöchigen „Deutschlandmarsch“ rund 1000 Kilometer von Hamburg nach Oberstdorf ohne Geld, Proviant und Ausrüstung zurück und ernährte sich nur von dem, was die Natur so hergab. „Ich verlor jeden Tag ein Pfund, und kam als Skelett an“, scherzt er in seiner unverkennbaren Art.

Seit dieser Zeit setzt sich Rüdiger Nehberg für das brasilianische Indianervolk der „Yanomami“ ein und durchquerte nach intensivem Training bei den Kampfschwimmern mit einem Tretboot den Atlantik. Er wiederholte diese „Reise“ mit der Menschenrechtsaktivistin Christina Haverkamp auf einem selbst gezimmerten Bambusfloß. Damit trug er dazu bei, dass den Yanomami-Indianern ein geschütztes Reservat zugestanden wurde, das 65 000 Goldgräber schon zu großen Teilen abge­holzt hatten.

Ein Highlight steht noch an

Eine Landkarte zeigt die nördliche Hälfte Afrikas und die Arabische Halbinsel, 35 Länder sind farblich hervorgehoben - überwiegend muslimische Länder, in denen Frauen die Genitalien beschnitten werden. Es ist still im Raum, als der 84-Jährige über die Beschneidungsrituale mit Rasierklingen, stumpfen Messern und Dosendeckeln berichtet. Mit absurden Begründungen werde dies gerechtfertigt, sagte man ihm. Es diene der Hygiene, sorge für glatte Haut. Rüdiger Nehberg nimmt es immer noch mit, er betont: „Bei so was hält mich niemand auf, kein religiöser Fanatiker, kein Beden­kenträger.“ Deshalb haben er und seine Frau Annette 2000 die Menschenrechtsorganisation „Target“ gegründet. Der „(Ver)Mittler zwischen den Kulturen“ berichtet von den von ihm veranstalteten Wüs­ten-Meetings in Äthiopien und Mauretanien, bei denen die Muftis plötzlich die Schweigepflicht brachen und Stammesbeschlüsse gegen Verstümmelung gefasst wurden. Geplant sei noch eine „Karawane der Hoffnung“ von Mauretanien bis Saudi-Arabien - 100 000 Menschen sollen daran teilnehmen. „Es soll das große Finale meines Lebens werden“, verrät Rüdiger Nehberg, dem bei jeder seiner Erzählungen perfekt der Spagat zwischen „Witz und grausamer Realität“ gelingt.