Zwischen Neckar und Alb

53-Jähriger hatte seine Frau immer wieder bedroht

Doppelmord Die älteste Tochter des Angeklagten aus Reudern sagt vor Gericht als Zeugin aus.

Symbolbild

Stuttgart. Am zweiten Verhandlungstag im Prozess um den Doppelmord von Reudern kam vor der 9. Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts die älteste Tochter des Angeklagten zu Wort. Dem 53-Jährigen wird vorgeworfen, vergangenen Juli seine Ehefrau und den Lebensgefährten seiner jüngeren Tochter erschossen zu haben. Die beiden Töchter standen nur wenige Meter entfernt, als der Vater die tödlichen Schüsse abgegeben hat.

Die älteste Tochter sagte, dass die Kinder den Streit auf der Terrasse mitbekommen hätten: „Ich habe mich mit den Kindern im Wohnzimmer versteckt.“ Die erwachsenen Töchter haben beide schon Kinder, außerdem waren die beiden jüngeren Töchter des Angeklagten und seiner Frau im Haus. Auf der Terrasse sei es zum Streit zwischen ihren Eltern gekommen. In diesen hätte sich auch der Partner ihrer Schwester und ihr Bruder eingemischt.

Nachdem er kurz weggefahren war, habe die Familie auf der Terrasse gestanden und gesehen, wie der Vater zurückkam und auf das Gartentor zuging. Der Partner ihrer Schwester habe ihn dort aufhalten wollen. „Heute kommst du nicht mehr ins Haus, für heute ist es genug“, habe er gesagt. Da habe ihr Vater die Waffe gezogen und geschossen. „Ich konnte mich gerade noch umdrehen, da fiel ein zweiter Schuss“, sagt die Zeugin. Sie sei dann ins Haus gerannt. „Ich habe den Kindern zugerufen: Raus, raus, raus!“ Alle hätten das Haus durch die Türe verlassen und seien ins Nachbarhaus geflüchtet.

Die Tochter berichtet, dass ihr Vater ihre Mutter immer wieder erniedrigt, ihr Untreue vorgeworfen und ihr das Geld weggenommen habe. Er habe manchmal sogar kontrolliert, ob sie zur Arbeit gefahren sei. Auch habe er ihr immer vorgeworfen, dass sie ihn dort während der Arbeitszeit betrüge. Auch habe die Mutter erzählt, dass sie von ihrem Mann bereits zuvor mit einer Waffe bedroht worden sei. Den Töchtern habe der Vater vorgeworfen, immer nur Partei für die Mutter zu ergreifen.

Am Vorabend der Tat hätten sich die Eltern wegen einer Bagatelle gestritten. Danach kam eine Whatsapp-Nachricht des Vaters mit den Worten „Jetzt ist kein Spaß mehr.“ Der Vater habe der Tochter gegenüber geäußert, dass doch alle nur darauf warten würden, dass er sterbe - bei ihm war eine schwere Lungenerkrankung diagnostiziert worden.

Erst am Tag nach der Tat habe die Tochter erfahren, dass ihre Mutter Kleidung, Wertsachen und die Reisepässe der jüngeren beiden Kinder im Auto hatte, sowie 2 000 Norwegische Kronen. Zuvor hatte sie 15 000 Norwegische Kronen, etwas mehr als 1 500 Euro, auf ihr Konto eingezahlt. Das sei ein Geldgeschenk der Großmutter gewesen, die in Norwegen lebt. Kurz vor der Tat habe der Vater auf Albanisch gesagt: „Wenn sie ihre Sachen packt, wird sie das teuer bezahlen“, gab die Tochter an.

Waffe geht nicht versehentlich los

Ein Experte, der die Tatwaffe untersucht hatte - eine Pistole vom Typ P 08 oder Parabellum, auch als „Luger“ bekannt -, sagte, sie sei 102 Jahre alt und in einem schlechten Zustand, allerdings funktionstüchtig. Er hält es für ausgeschlossen, dass sich die Schüsse „aus Versehen“ gelöst haben könnten, wie der Angeklagte seinem psychiatrischen Gutachter erzählt hatte. Das Abzugsgewicht sei zu hoch, um damit versehentlich zu schießen. Auch beim Spannen der Waffe könne sich kein Schuss lösen.Philipp Sandrock