Zwischen Neckar und Alb

Ästhetik darf nicht einfach sein

Baukultur 22 Projekte wurden mit dem Architekturpreis „Beispielhaftes Bauen“ ausgezeichnet. Die Ausstellung der innovativen Baukünste ist im Esslinger Landratsamt zu sehen. Von Roland Kurz

Ein Querschnitt durch die Architektur: Die Ausstellung der 22 Bau-Projekte ist im Esslinger Landratsamt zu sehen.Foto: Roberto B
Ein Querschnitt durch die Architektur: Die Ausstellung der 22 Bau-Projekte ist im Esslinger Landratsamt zu sehen. Foto: Roberto Bulgrin

Was ist gute Architektur? Was bedeutet „beispielhaftes Bauen“? Auf diese Fragen hörte man bei der Preisverleihung der Architektenkammer Baden-Württemberg im Kreis Esslingen verschiedene Antworten. Die lange Kriterienliste der Jury hat Vorsitzender Adrian Hochstrasser mit drei Worten auf den Nenner gebracht: „Es braucht Haltung, Mut und Konsequenz.“

Das haben Architekten und Bauherren bei 22 Projekten so gut bewiesen, dass sie mit Urkunden und Plaketten belohnt wurden - und mit einer Laudatio vor fast 200 Besuchern im Esslinger Landratsamt. 88 Arbeiten aus den Jahren 2012 bis 2018 waren zum fünften Wettbewerb im Kreis Esslingen eingereicht worden. Sie stellen einen Querschnitt durch die Tätigkeitsfelder der Architekten dar: Wohnungsbau, öffentliche Bauten, Industriehallen, kirchliche Gebäude, Flüchtlingsunterkünfte, günstiges Tiny-Haus, Landschaftsarchitektur. Manch „gewöhnungsbedürftiges Objekt“ hat Schirmherr Heinz Eininger entdeckt. Als Landrat ist für ihn das Einfügen in die Umgebung ein wichtiger Aspekt. Beispielhaftes Bauen muss für ihn auch die Kriterien „barrierefrei, altersgerecht, bezahlbar“ erfüllen.

Sorge bereitete ihm, dass im Handwerk und bei Bauberufen der Nachwuchs fehlt. Denn zu einem guten Ergebnis brauche es auch deren Kunst. Zwei Tage lang hat eine Jury aus Architekten, Landschaftsplanern, Kunsthistorikern und Kunstwissenschaftlern die Arbeiten geprüft und 37 Orte besucht, um Papier und Realität zu vergleichen. „Wir haben nicht immer gefunden, was das Plakat suggeriert hat“, berichtete Jury-Vorsitzender Hochstrasser. Vermisst hat er genügend Projekte im Wohnungsbau. Es fehle sowohl an bezahlbarem Mietwohnungsbau als auch an luxuriösen Häusern. Er appellierte an die öffentliche Hand: „Mehr bewegen, vielleicht die ein oder andere Vorschrift reduzieren.“

Architektur wird gelobt

Originalität und Zeitlosigkeit, Maß und Proportion, Detail und Raumqualität, Technik und Innovationskraft - die Jury achtete auf viele Kriterien, damit die Bauten „dem Wohl der Menschen und der Gemeinschaft“ dienen. Die Auszeichnungen wurden nicht nur an die Architekten verteilt, sondern auch an die mutigen Auftraggeber. Die Plaketten händigte Moderatorin Carmen Mundorff von der Ulmer Architektenkammer mitsamt Bohrschablone und Schrauben aus, damit sie ihren Ehrenplatz im Büro bekommen. Die ausgefeilten Begründungen der Jury weckten die Neugier auf die realen Projekte.

Belohnt wurde auch, wenn pragmatische, kostengünstige Lösungen ästhetischen Ansprüchen genügen. So wurden in Nellingen drei Flüchtlingsheime ausgezeichnet. Drei Flüchtlingshäuser in Ruit fanden außer der heimischen Würdigung Anerkennung auf der Architektur-Biennale in Venedig.

Das Kinderhaus Kemnat kam unter die 22 Besten, ebenso das Jugendhaus Zinsholz und - als einziges Landschaftsobjekt - der Panoramaweg mit dem Aussichtspunkt an der Parksiedlung. Weil „der Weg vom Banalen zum Einfachen gelungen ist“, erhielt eine Produktionshalle im Gewerbepark Körschtal die Auszeichnung.

Kaum überraschend ist, dass die neue Esslinger Landmarke, das Festo-Hochhaus auf der Siegerliste landete. „Innovative Architektur von heute für die Baukultur von morgen“ - mehr Lob geht kaum. Schirmherr Eininger freute sich als Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse über die Plakette für das Esslinger Verwaltungsgebäude Vogelsangstraße. Was dieses Mal fehlte, der Geschosswohnungsbau, könnte nach Ansicht von Stefan Schwarz, Vorsitzender der Kammergruppe Esslingen II, nächstes Mal dabei sein: „Wir sind auf gutem Weg“, stellte er fest, bevor er die Ausstellung im Foyer des Landratsamtes eröffnete. Sie soll durch den Kreis wandern, möglichst in Kommunen, in denen wenig beispielhafte Bauten entdeckt wurden.