Zwischen Neckar und Alb
Aichtal gibt Kirchenglocken an Tschechien und Polen zurück

Völkerverständigung Das Projekt „Friedensglocken für Europa“ bringt Kirchengemeinden grenzüberschreitend in Kontakt und steht für enge Verbundenheit. Von Peter Dietrich

Mit der Aktion „Friedensglocken für Europa“ gibt die Diözese Rottenburg-Stuttgart in den nächsten Jahren einige Kirchenglocken dorthin zurück, wo sie herkommen und hingehören: nach Tschechien und Polen. 

Mehr als 100 000 Kirchenglocken hatten die Nazis für Kriegszwecke beschlagnahmt. Nach Kriegsende blieben nur noch etwa 16 000 Glocken in Sammellagern erhalten. Dass aus den anderen, eingeschmolzenen Kirchenglocken auch Munition hergestellt wurde, diese Perversion

 

Wir möchten das,
was an einen anderen Ort gehört,
an diesen Ort zurückbringen.
Bischof Gebhard Fürst

ist für Bischof Dr. Gebhard Fürst ein unerträglicher Gedanke: „Munition aus dem Metall der geweihten Glocken, die ein Symbol für unseren lebensbejahenden christlichen Glauben sind, diente zur Vernichtung menschlichen Lebens!“

Die nach dem Krieg übriggebliebenen Glocken gingen meistens an ihre Kirchen zurück. Doch für rund 1300 Glocken aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die auf dem sogenannten „Glockenfriedhof“ in Hamburg lagerten, lehnte die britische Militärregierung die Freigabe ab. Sie gingen stattdessen, offiziell mit einem „Leihvertrag“, an Kirchengemeinden in Westdeutschland. 

Dass eine dieser Glocken bei ihm in Rottenburg im Dom St. Martin läutete, erfuhr Gebhard Fürst jedoch erst als Bischof. Die Glocke wurde 2011 entdeckt und stammt aus Gorzów Slaski in Polen. „Ich wollte diese unrechte Geschichte unbedingt zum Guten wenden“, sagt der Bischof. Er bot der polnischen Kirchengemeinde die Rückgabe der Glocke an und führte sie dann mit einer kleinen Delegation zurück.

Die Deutschen wurden in Polen sehr herzlich empfangen und als Glaubensgeschwister aufgenommen. So sei die Glocke zu einem Symbol für Hoffnung, Völkerverständigung und Frieden geworden, berichtete der Bischof. Schnell war klar: Diese Glocke ist kein Einzelfall. Von 67 Glocken, die aus dem Osten in katholische Kirchen in Württemberg kamen, sind 54 Glocken bis heute im Einsatz. Inzwischen wurden alle betroffenen Gemeinden informiert - viele wussten davor gar nicht, was sie da im Kirchturm haben.

Eine Glocke aus dem heutigen Tschechien und aus dem heutigen Polen in einem einzigen Kirchturm, das gab es aber nur in Aichtal-Grötzingen in der Kirche „Maria Hilfe der Christen“. Nun reisen die beiden Glocken ins polnische Frombork und ins tschechische Píšt’ zurück. Zwei neue Ersatzglocken hat der Künstler Massimiliano Pironti gestaltet. 

Aus Polen war Bischof Jacek Jezierski zur Eröffnung gekommen. „Es ist gut, dass Bischof Dr. Gebhard Fürst versucht, alte, zum Teil in Vergessenheit geratene Dinge wieder in Ordnung zu bringen“, lobte er die „freundliche und friedliche Geste“, die auch eine „symbolische Dimension“ habe.

Ebenso angereist war Bischof Martin David aus Tschechien und betonte: „Nicht nur die Glocken kehren zurück, sondern auch wir müssen zurückkehren zu dem, was wir gemeinsam haben, zu den christlichen Wurzeln, die unsere Völker haben.“ Er erzählte auch aus seiner eigenen Lebensgeschichte: „Ich wuchs in einem Haus auf, in dem vor dem Krieg Deutsche gelebt haben. Mein Heimatdorf suchte Verbindung zu den ursprünglichen Bewohnern und veranstaltete mehrere freundschaftliche Besuche.“ Die Inschriften auf den Glocken zeigen oft die enge Verbundenheit der Ursprungsgemeinden mit ihren Glocken.