Da stimmte einfach alles: das Wetter, die gute Stimmung unter den Fans, die Location. Die Bestseller-Autorin Petra Durst-Benning hatte ins Freilichtmuseum Beuren zusammen mit dessen Leiterin, Steffi Cornelius, zur Premieren-Lesung des Romans „Die Fotografin“ eingeladen. Und das kam nicht von ungefähr, denn gleich mehrere Schauplätze ihres neuen Werks lassen sich hier in einer Art Zeitreise hautnah erleben: das Fotoatelier Hofmann, das einstmals in Kirchheim stand, das Weberhaus aus Laichingen sowie das Wohn-Stall-Haus mit Scheuer aus Beuren, in dem es den berühmt-berüchtigten Schwarzen Brei zum Probieren gab.
Doch der Reihe nach. Nach einem erfolgreichen „Ausflug“ ins zeitgenössische Genre mit der „Maierhofen-Serie“ ist Petra Durst-Benning wieder zum historischen Roman zurückgekehrt. Im Jahr 2014 ist mit „Bella Clara“ der letzte Band der Jahrhunderttrilogie erschienen. Dann hat die Autorin Lust auf was Neues bekommen. „Ich wollte mich als Autorin neu erfinden. Ich fand, im Bereich der zeitgenössischen Frauenromane ist für mich ein Plätzchen frei“, erzählt die Autorin. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sie ihren Ruf nicht aufs Spiel gesetzt und auch der Verlagswechsel zu Blanvalet passte ins Konzept. „Das Motto meiner neuen Romanserie passt auch zu mir: Das einzig Beständige ist der Wandel“, verriet sie ihren Fans.
Die konnten einen wunderbaren Nachmittag am Fuße der Alb erleben. Das Angebot der Museumsgaststätte wurde unter strahlend blauem Himmel genutzt, ehe es zum offiziellen Auftakt mit alkoholfreiem Prisecco aus Äpfeln und Birnen vom Museumsgelände vor dem Haus aus Öschelbronn ging. Nach kurzer Begrüßung ging es in drei Einzelgruppen zur kurzen Führung zu den drei ausgewählten Gebäuden. So konnten sich die Fans bei der anschließenden Lesung im Hopfensaal ein deutlicheres Bild von der Mühsal und den Gegebenheiten der Protagonistinnen im Roman machen.
Eine bahnbrechende Erfindung
Petra Durst-Benning beschränkte sich darauf, die beiden Hauptfiguren vorzustellen. „Die Begeisterung für das Thema ‚historische Fotografie‘ begleitet mich ein Leben lang. Das hat schon im Laden meiner Eltern in Kirchheim angefangen - manche Idee brauchen bissle Zeit“, erzählt sie. Selbstredend, dass ihre Eltern von Antiquitäten-Durst in der Max-Eyth-Straße bei der Lesung mit dabei waren, ebenso ihre Schwester. Die Fotografie war eine bahnbrechende Erfindung. Erstmals gab es eine Abbildung für den Menschen seiner selbst und auch das einfache Volk konnte sich ein Porträt leisten, wenngleich der Gang zum Fotografen etwas Besonderes und sein Dienst nicht billig war. Mimi aus Esslingen geht diesem Beruf mit Leidenschaft nach und lässt sich davon auch von einem nüchtern und selbstherrlich vorgetragenen Heiratsantrag nicht abbringen. Ohne eine Antwort zu geben, schnappt sie sich ihre Handtasche und verlässt an ihrem Geburtstag nicht nur das Café, sondern auch den Vikar ihres Vaters, der ihr aus seiner Sicht eine goldene Zukunft als Pfarrersfrau in Schorndorf geboten hätte. Doch Mimi hat andere Vorstellungen von ihrem Leben.
Die zweite Frau ist Eveline, und sie führt ein gänzlich anderes Leben. Der Alltag der Webersfrau ist von harter, mühseliger Arbeit auf der kargen Alb geprägt. Die Mutter dreier Kinder hat schon wieder einen Säugling verloren und verzweifelt schier. Ihr Mann scheint ihre Trauer nicht zu teilen und sie weiß nicht, wie sie die Beerdigung des Mädchens bezahlen soll. Die Hebamme hatte ihr abgeraten, dem Kind einen Namen zu geben. Sie solle erst einmal abwarten, ob das Kind überhaupt Wurzeln schlägt. Dazu ist es nicht gekommen und die Schuld für den frühen Tod gibt Eveline dem Schwarzen Brei, den sie für sich den „Mordbrei“ nennt. Dabei handelt es sich um einen aus geröstetem Getreide gekochten Brei, der einst bei armen Familien auf der Alb morgens, mittags und abends auf den Tisch kam. Er war sehr sättigend.
Petra Durst-Benning beleuchtet damit ein dunkles Kapitel des Leinenweberdorfs. Obwohl Laichinger Leinen für hohe Qualität stand und auch in Übersee gefragt war, hatte der Ort mit Abstand die höchste Kindersterblichkeitsrate in ganz Württemberg. Die „studierten Herren“ gaben den Frauen und ihrer mangelnden Fürsorge die Schuld ohne ihre extrem harten Lebensbedingungen zu berücksichtigen. „Es waren die Frauen, die mangels Vieh den Pflug zogen, nachts bei schlechtem Licht und geröteten Augen stickten bis die Finger blutig waren. Jedes Kind zehrte die Energiereserven auf“, zeigte die Autorin die Realität auf.