Zwischen Neckar und Alb

Am Berliner Horizont drohen vorzeitige Neuwahlen

Bundespolitik Der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich hofft auf ruhigeres Fahrwasser für die große Koalition.

Unterensingen. Gelingt es der Bundespolitik, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu kommen? Der Kirchheimer CDU-Bundestagesabgeordnete Michael Hennrich ist sich da nicht ganz sicher. Für die Union sieht er durchaus Anzeichen, dass man sich wieder auf die eigentliche politische Arbeit konzentrieren kann. „Annegret Kramp-Karrenbauer setzt gute Impulse und versöhnt die unterschiedlichen Parteiflügel wieder miteinander“, sagte er beim gestrigen Pressegespräch in Unterensingen. Lange genug sei die Stimmung bei Unionsterminen mehr als schlecht gewesen: „Wenn ich da in einen Raum gekommen bin, waren 50 Prozent gegen Merkel und 50 Prozent gegen Seehofer.“

Jetzt hofft er darauf, dass die Erneuerung in der CDU nachhaltig ist: „In der Migrationspolitik muss die neue Parteivorsitzende den Spagat schaffen, die unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen.“ Allerdings wird das parteiübergreifend noch schwerer sein, denn zu den Grünen sagt Michael Hennrich: „Ich verstehe deren Haltung zu den sicheren Herkunftsländern nicht.“ Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen, einen Staat zum sicheren Herkunftsland zu erklären, wenn die Anerkennungsquote für dessen Bürger bei unter einem Prozent liege. Es geht ihm außerdem um ein „klares Signal, dass illegale Zuwanderung nicht automatisch zu einem Bleiberecht führt. Unser Anspruch ist es, legale Zuwanderung zu fördern.“ So hofft er durchaus, über das Einwanderungsgesetz auch dem Fachkräftemangel begegnen zu können.

Michael Hennrich freut sich auch, dass die Fokussierung der Regierungsparteien auf die beiden Themen Migration (bei der Union) und Hartz IV (bei der SPD) mittlerweile überwunden ist: „Die Debatten zwischen der Union und der SPD müssen in aller inhaltlichen Schärfe geführt werden. Aber sie dürfen nicht zu einer Abwendung von der großen Koalition führen, sondern zu neuem Interesse an der politischen Diskussion.“

Die Koalition müsse die Themen der Agenda gemeinsam bestimmen. Beispiel Grundrente: „Inhaltlich bin ich komplett dagegen. Aber die Debatte darüber lohnt sich trotzdem. Da soll sich die SPD ruhig profilieren.“ Wenn sich die SPD wieder stabilisiert, profitiere auch die Union davon: „Ich könnte gut damit leben, wenn die SPD zulegt - zuungunsten der AfD, der Grünen und der Linken.“ In diesem Sinne hofft Michael Hennrich, dass die Grundrentendebatte die SPD stärkt, gerade auch in den östlichen Ländern.

Im Herbst stehen die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an, auf deren Ergebnisse Michael Hennrich mehr als gespannt ist. Einerseits ist er derzeit optimistischer als noch vor ein paar Wochen, was die Prognosen für die AfD angeht. Die Gefahr, dass die AfD dort mitunter die stärkste Fraktion stellen könnte, schätzt er nicht mehr als ganz so hoch ein. Andererseits aber fürchtet er ein allzu enttäuschendes Abschneiden der SPD.

Davon könnte nämlich ein bundespolitisches Beben ausgehen, in Verbindung mit dem Evaluierungsparteitag der SPD Ende des Jahres: Sollte die SPD bei den Landtagswahlen ganz schlechte Ergebnisse einfahren, sieht Michael Hennrich die Berliner große Koalition in großer Gefahr: „Da ist alles offen. Es kann dann zu einem Regierungswechsel kommen oder sogar zu Neuwahlen.“ Er selbst hofft allerdings, dass keins dieser Szenarien eintrifft: „Unser Anspruch ist es, die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode fortzuführen.“

In der Gesundheitspolitik sieht Michael Hennrich Probleme durch Kostensteigerungen. Ein Beispiel: „Es gibt Therapien, die pro Patient bis zu 700 000 Euro kosten. Wie wird das in Zukunft finanziert?“ Es gibt auch die Verknüpfung zu einem weiteren großen Zukunftsthema, zur künstlichen Intelligenz: „Ersetzt künftig der Computer den Arzt - oder den Apotheker?“

Regional von Bedeutung seien dagegen vor allem zwei Themen: das Wohnen und der Verkehr. Diesel und Fahrverbote sind für Michael Hennrich „ein leidiges Thema, bei dem ich zu lange geglaubt habe, dass die Fachpolitiker das gelöst kriegen“.Andreas Volz