Zwischen Neckar und Alb

Angeklagter schweigt und bricht zusammen

Gericht Der Prozess gegen den 20-jährigen Gambier, der mit Rauschgift gehandelt haben soll, geht in die nächste Runde.

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Symbolbild

Wernau. Wenn ein Angeklagter vor Gericht eisern schweigt, dann haben es Richter sehr schwer, Straftaten aufzuklären. So auch im Falle des 20-jährigen gambischen Asylanwärters, dem vorgeworfen wird, mit anderen Beteiligten in Unterkünften in Wernau und Köngen mit über zehn Kilo Rauschgift gehandelt zu haben.

Seit nahezu vier Wochen verhandelt die 2. große Strafkammer am Stuttgarter Landgericht gegen den 20-Jährigen, der bislang nur Auskunft über seine Herkunft, aber keinerlei Angaben zum Vorwurf gemacht hat. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft jedoch soll er von Herbst 2017 bis zur Festnahme am 11. Juli des vergangenen Jahres zusammen mit seinem Onkel mit rund 13 Kilo Rauschgift gehandelt und dabei hohe Gewinne erzielt haben. Bei seiner Festnahme in der Unterkunft Wernau fand die Polizei noch einen Rest der Drogen von 16 Gramm - versteckt in einer Tüte.

Da er nichts sagt, befragen die Stuttgarter Richter jetzt zahlreiche mögliche Zeugen, darunter auch Drogenkonsumenten und mögliche Mittäter des jungen Mannes. Dabei stoßen sie allerdings auf enorme Barrieren. Mitbeschuldigte haben ein Zeugnisverweigerungsrecht, von dem die meisten, die etwas zur Aufklärung beitragen könnten, jedoch Gebrauch machen.

Nur einer der mutmaßlichen Mittäter hat sich am gestrigen vierten Verhandlungstag zunächst bereit erklärt, doch Angaben im Zeugenstand zu machen. Der ebenfalls aus Gambia stammende 22-Jährige gab dabei zu, dass er im Juni vergangenen Jahres von dem Angeklagten rund 200 Gramm der Droge erhalten habe. Über die Qualität des Rauschgiftes habe er sich keine Gedanken gemacht, es sei ihm schlicht egal gewesen, sagte er. Bezahlt habe er dafür 200 Euro. Auf die richterliche Frage, warum die 200 Gramm so billig waren, meinte der Zeuge, dass der Angeklagte dringend Geld benötigte. Auf weitere Fragen, was er mit dem Rauschgift gemacht habe, gibt der Zeuge zu Protokoll, er habe es portionsweise verschenkt.

Die Richterin hielt ihm daraufhin das Protokoll der Polizei Nürtingen vor, in der er behauptet habe, dass er die Drogen gewinnbringend verkauft hätte. Und zwar jeweils in Mengen von zwei bis fünf Gramm an Abhängige in Kirchheim, Köngen und Wernau. Der Zeuge entrüstete sich: „Dieses Protokoll ist falsch übersetzt.“ So habe er dies nie gesagt.

Als ihn das Gericht dann noch nach einem möglichen Spitznamen des Angeklagten befragen wollte, schwieg der Zeuge. Er werde ab jetzt gar nichts mehr sagen, lautete seine Antwort. Auch nichts zum Spitznamen des Angeklagten, den wisse er zwar genau, ihn aber nicht bekannt gebe. Dem Gericht waren die Hände gebunden: Sie durften nach dem Prozessrecht keine weiteren Fragen an den Zeugen stellen, da er selbst im Verdacht steht, ebenfalls mit Rauschgift gehandelt zu haben. Ein entsprechendes Verfahren gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen.

Nach der Vernehmung des Zeugen brach der Angeklagte im Gerichtssaal plötzlich zusammen. Ein Notarzt behandelte ihn, danach wurde der 20-Jährige ins Krankenhaus abtransportiert. Was seinen Schwächeanfall verursacht hat, ist derzeit noch unklar.

Für ihn steht jedenfalls sehr viel auf dem Spiel: Das Gesetz sieht eine Höchststrafe bis zu 15 Jahren vor. Sein Verteidiger arbeitet jedoch auf Unschuld hin, nennt bei Zeugenbefragungen zahlreiche Widersprüche in den Angaben von anderen Zeugen. Daher wird die Strafkammer die Beweisaufnahme weiter ausdehnen und hat Prozesstage bis zum 21. Februar angesetzt. Nächster Verhandlungstag ist der 7. Februar. Bernd Winckler