Zwischen Neckar und Alb

Anna geht auf Nummer sicher

Das Markenzeichen der 20-jährigen Sängerin Anna Jente sind Eigenkompositionen

Mit 17 hat Anna Jente ihr erstes Album aufgenommen. Derzeit produziert die Studentin, die Deutsch und Geschichte fürs Lehramt st
Mit 17 hat Anna Jente ihr erstes Album aufgenommen. Derzeit produziert die Studentin, die Deutsch und Geschichte fürs Lehramt studiert, wieder in einem Tonstudio in Unterensingen.Foto: Petra Bail

Unterensingen. Es ist einer der ersten wirklich warmen Tage im Jahr. Es ist Samstag, und es gibt nur einen Impuls: raus ins Freie. Anna Jente ist

an diesem Tag lieber drin und bedauert es nicht einmal. Denn, was sie im dämmrigen Halbdunkel von Tone-temple in Unterensingen macht, ist die große Leidenschaft der 20-jährigen Studentin: Musik. Derzeit nimmt die Singer-Songwriterin zwei neue Songs im Studio auf. Ein Album hat sie bereits mit 17 veröffentlicht, aber da war sie noch Anna Speidel, Tochter von Thomas Speidel, Geschäftsführer der Nürtinger Firma ads-tec.

Natürlich ist sie immer noch Tochter. Aber Tochter mit Künstlernamen. „Speidel klingt verstaubt“, findet Anna. Überhaupt habe sie sich weiterentwickelt, die Stimme auch. Gemeinsam mit Musikproduzent Jens-Peter Abele von Tonetemple wurde der Schnitt mit dem Künstlernamen beschlossen. „Jente passt zu mir“, erklärt sie. Der Begriff stammt aus dem Norwegischen, wie ihre beste Freundin, und bedeutet „Mädchen“.

Sie hat Recht, es passt, wie sie zierlich, mit langem braunem Haar, aufgeschlossen und fröhlich plaudernd zwischen all den Reglern und Schiebern des Studios steht oder beim Auftritt als Support von Eric Gauthier und seiner Band in Waiblingen noch ein wenig verlegen drei Songs präsentiert. Da ist man sicher, dass diesem Mädchen die Welt offen steht, so sympathisch, klug, hübsch und talentiert wie sie ist. „Ich guck nicht so krass in die Zukunft“, antwortet sie auf die Frage, ob sie glaubt, dass der Künstlername in 20 Jahren noch angenehm ist.

Und weil keiner weiß, wohin die Reise führt, geht Anna auf Nummer sicher und studiert ganz bodenständig auf Gymnasiallehramt Deutsch und Geschichte an der Uni Freiburg. Die Musik läuft parallel. Was später rauskommt, ist ihr insofern wurscht, da sie ebenso viel Vergnügen dabei hätte, als Lehrerin mit Kindern zu arbeiten oder eben als Sängerin und Pianistin auf der Bühne zu stehen.

Schon als kleines Kind lag sie fasziniert unter dem Klavier, wenn Mutter Eva Speidel spielte. Die Mutter ist eine leidenschaftliche Klavierspielerin und hat sie früh gefördert. Ab fünf Jahren gab es Unterricht am Piano. „Mit sechs Jahren erfand ich kleine Klavierstücke“, erzählt Anna. Und mit 15 war sie endlich so weit, dass sie in gutem Englisch singen konnte und schrieb die Songs zu den eigenen Kompositionen.

„Place for Resting“, der auch auf ihrer CD „Just 17“ ist, war der erste komplette Song. „Es war wie ein Dammbruch. Ich hatte so Bock und konnte nicht mehr aufhören“, schildert sie begeistert den Verlauf. Die Eltern schenkten ihr 2013 zu Weihnachten die Aufnahme in den renommierten Bauer Studios Ludwigsburg. Das war der erste Schritt und ist inzwischen Vergangenheit, von der sie sich distanziert. Damals flossen Beobachtungen aus ihrem Umfeld in die Titel ein, heute sind es die eigenen Empfindungen, wie in „Hey Boy“.

Das Lied schrieb sie für ihren Freund, als sie noch nicht zusammen waren. Selbstzweifel und Sehnsüchte verliebter Mädchen beim Anblick des Schwarms klingen zum Dahinschmelzen schön. Ein halbes Jahr, nachdem sie ein Paar geworden sind, spielte sie ihm den Song vor, und er ermunterte sie ebenso wie die Freundinnen zur Veröffentlichung. Der Text spiegelt die Befindlichkeit von Teenagern – mit einer Feenstimme gesungen, über der ein Hauch von Melancholie schwebt. Die Komposition ist so bezaubernd, als sei sie nicht von dieser Welt. Dabei klingt sie wie die junge Kate Bush in „Wuthering Heights“ oder „Army Dreams“, auch wenn sie davon gar nichts hören will, weil sie die exzentrische Sängerin nicht mal aus der Plattensammlung der Eltern kannte und Produzent und Gitarrist Abele musikalische Vergleiche sowieso ablehnt.

„Musik ist für mich purer Genuss“, verrät Anna und outet sich als „Kreuz-und-quer-Hörerin“: Klassik, Pop, Rock, Jazz und House, von Katie Melua über Nora Jones bis Christina Aguilera, die sie in früherer Zeit bei Auftritten gecovert hat.

Der Spaß, das Leichte und Unbeschwerte sind für Anna Jente Bedingungen, um kreativ zu sein. „In einem Korsett gelingt das nicht.“ Deshalb wollte sie nie Musik studieren und hat das Fach in der Schule mit Note eins abgewählt. Die Stimmung muss passen. Die besten Kompositionen gelangen ihr bisher alleine zu Hause – „ohne nervige Geschwister“, schiebt sie charmant lachend nach. Die 15-jährige Schwester Clara spielt ebenfalls Klavier. Bruder Lukas stellte mit seinen neun Jahren bereits ein bemerkenswertes Rhythmusgefühl am Schlagzeug bei gemeinsamen Auftritten unter Beweis.

Wohin die musikalische Entwicklung geht, lassen Künstlerin und Produzent offen. In eine Schublade lässt sich Anna Jente nicht stecken. Sicher ist: Es ist Pop, und es ist aufregend.