Zwischen Neckar und Alb
Archäologen legen Reste des alten Beutau-Tors frei

Sanierung Bei den Vorbereitungen zu den Straßenbauarbeiten in der Esslinger Geiselbachstraße entdecken Experten Teile der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Von Dagmar Weinberg

Wer in der historischen Altstadt in den Untergrund vordringt, stößt nicht selten auf Zeugen der Vergangenheit. Das weiß man auch bei der Esslinger Stadtverwaltung. Um bei der anstehenden Sanierung der Geiselbachstraße keine Überraschungen zu erleben „und Planungssicherheit zu haben“, ist die Verwaltung schon jetzt auf das Landesamt für Denkmalpflege zugegangen, erzählt Rathaussprecher Roland Karpentier. Im Vorgriff auf die Bauarbeiten, die im nächsten Sommer beginnen sollen, haben sich die Archäologen an der Einmündung der Mittleren Beutau in die Geiselbachstraße auf einem rund 60 Quadratmeter großen Areal in die Tiefe gegraben. Die Buddelei hat sich gelohnt: Direkt unter der als Abstellplatz genutzten Fläche haben die Ausgräber Reste des ehemaligen Beutau-Tors freigelegt. „Mit diesem Befund können wir dem Wissen über die mittelalterliche Stadtbefestigung ein weiteres Mosaiksteinchen hinzufügen“, sagt Dorothee Brenner, die beim Landesamt für Denkmalpflege die Grabung leitet.

Völlig überrascht hat sie und ihr Team der Fund nicht. Denn auf dem um 1822 erstellten Urkatasterplan der Stadt Esslingen ist genau an jener Stelle, an der jetzt gegraben wurde, ein Stadttor eingezeichnet. „Man konnte also damit rechnen, dass wir hier etwas finden“, erklärt die promovierte Mittelalter-Archäologin. „Es war aber nicht klar, wie viel der historischen Substanz überhaupt noch vorhanden ist.“ Bestehe doch gerade im städtischen Umfeld die Gefahr, dass historische Befunde bereits in früheren Jahren durch Bauarbeiten beschädigt oder sogar zerstört worden sind. „In den 60er- und 70er-Jahren ist man bei Bau- und Straßenarbeiten in der Regel nicht so sensibel vorgegangen wie heute“, weiß die Archäologin.

Umso vorsichtiger ging das Team des Landesdenkmalamts jetzt zu Werke. Nachdem ein Bagger den Asphalt, Pflastersteine und neuzeitliches Baumaterial entfernt hatte und auf die ersten größeren Steine gestoßen war, griffen die Archäologen zum Spaten. „Sobald Befunde auftauchen, ist unser Job nach wie vor mit viel Handarbeit verbunden“, erklärt Dorothee Brenner. Auf ihrem Weg in die Tiefe sind die Ausgräber nicht nur auf das mittelalterliche Beutau-Tor gestoßen. Sie haben auch ein Abwasserrohr freigelegt, das vermutlich in den 60er-Jahren mitten durch die Steine des einstigen Stadttors gehauen worden war. Für die Archäologin ein weiterer Beleg, dass man damals auf die historischen Belange kaum geachtet hat. „Auch wenn der Befund durch das Abwasserrohr gestört ist, sind wir sehr froh, dass doch noch so viel von der mittelalterlichen Substanz erhalten ist und wir die Informationen bekommen haben, die wir haben wollten.“

Natürlich haben die Archäologen auch ihr Fotoequipment ausgepackt und das historische Stadttor aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet. „Mit diesen Fotos kann man dann auch am Computer ein 3-D-Modell erstellen“, erklärt Dorothee Brenner. Das Modell und die Fotos werden dann auch das Einzige sein, was die Nachwelt vom Beutau-Tor zu sehen bekommt. Sobald die Grabungsleiterin das Okay gibt, werden die historischen Gemäuer in ein sogenanntes Geovlies eingepackt, und die Fundgrube an der Geiselbachstraße wird wieder zugeschüttet. „Unter der Erde sind die historischen Befunde einfach am besten geschützt.“