Zwischen Neckar und Alb

Auf den Spuren des fairen Handels

Austausch Der Nürtinger Rentner Helmut Bürger besucht auf seiner Reise durch Südamerika Genossenschaften, die Eine-Welt-Läden beliefern. Von Uwe Gottwald

Am Amazonas-Ursprung in Peru hat Helmut Bürger eine Siedlung der Bora-Indianer besucht. Foto: oh
Am Amazonas-Ursprung in Peru hat Helmut Bürger eine Siedlung der Bora-Indianer besucht. Foto: oh

Schon als Jugendlicher interessierte sich Helmut Bürger für die politischen Verhältnisse in Südamerika, die Unterdrückung und Ausbeutung. Die geschichtliche Verantwortung der ehemaligen Kolonialmächte ins Bewusstsein zu rücken, war ihm immer ein Anliegen. Seit drei Jahren ist er Mitglied der Eine-Welt-Gruppe Nürtingen, die in Südamerika Projekte unterstützt, die den Menschen ein besseres Leben mit mehr Selbstbestimmung ermöglichen sollen. Einige Projekte besuchte Bürger auf seiner dreieinhalb Monate dauernden Reise. Auf der Suche nach der Alpaka-Zucht nahe des Titicacasees in Bolivien, die auch den Weltladen beliefert, musste er passen, weil er nicht den Weg und das passende Verkehrsmittel in der sehr dünn besiedelten Gegend fand.

Per Flugzeug, Bus und Frachtschiff auf einem Fluss durch den Urwald war er unterwegs. Was er brauchte, hatte er im Rucksack. Kontakt zu finden zu Menschen, die in einfachen Verhältnissen leben, fiel ihm leicht. „Meine Art zu reisen, mein Motiv dazu und nicht zuletzt mein Tattoo des Revolutionärs Che Guevara brachten mir viele Male Anerkennung und Zuneigung ein.“ Das motiviere ihn, „weiter auf der Seite der Unterdrückten zu stehen und mich in kleinen Schritten für gerechtere Bedingungen einzusetzen“.

Helmut Bürger begann seine Reise in Costa Rica mit einem zweiwöchigen Spanischkurs. Danach flog er nach Ecuador und besuchte die Finca von Manuel Curai. Der Familienbetrieb mit zweieinhalb Hektar gehört zur 1978 gegründeten Organisation Urocal, der 120 Fincas von Kleinbauern angehören. Von Curai bezieht der Weltladen Bananen, angebaut nach ökologischen Kriterien in Mischkulturen mit Mango, Papaya und Grundnahrungsmitteln wie Mais und Bohnen. Die Mitglieder bekommen knapp ein Drittel mehr für ihre Produkte, als über den Vertrieb durch Konzerne.

In Yurimaguas schiffte sich Bürger auf einem Versorgungsboot ein. Vier Tage lebte er auf der 750 Kilometer langen Fahrt unter Einheimischen, zumeist Indios, die indianische Dörfer entlang eines Zuflusses des Amazonas versorgen und deren Produkte bis nach Iquitos mitnehmen. Das ist mit 400 000 Einwohnern die größte Stadt im Regenwald Perus und nur per Flugzeug oder zu Wasser zu erreichen. Auf diesem Reiseabschnitt lag das Urwalddorf Tamshiyacu, dort haben Konzerne begonnen, Regenwald zu roden, vor allem, um Ölpalmen zu pflanzen. Das bedroht die Lebensgrundlage der dort lebenden Menschen. Die Eine-Welt-Gruppe engagiert sich im Rahmen der bundesweiten Initiative „Rettet den Regenwald“ für Tamshiyacu. Mit Spendengeldern allein aus Nürtingen konnten bis jetzt drei Hektar Regenwald gekauft werden. Von den Begegnungen mit den Menschen in den Regionen Südamerikas nahe der Anden nahm Bürger zweierlei mit: Auch wenn Armut herrsche, habe sie ein Gesicht von Menschenwürde, könne die Bevölkerung doch die meisten Nahrungsmittel selbst anbauen. Andererseits bleibe der Jugend aber der Zugang zur Bildung verwehrt oder ist erschwert.

Weiter südlich, im chilenischen Curicó, war Bürger zu Gast bei einer Weinbaugenossenschaft, die ihre Flächen durch die Landreform der Regierung Allende bekommen hatte. Nach Pinochets Militärputsch bot sie auch Regimegegnern Unterschlupf. Helmut Bürger kam dort auch ins Gespräch mit dem ehemaligen Gewerkschafter Manuel Ivara, der fünf Jahre lang im Gefängnis verbringen musste und gefoltert wurde. Er wurde von der Genossenschaft in Landwirtschaft und Weinbau ausgebildet. Dort teilen sich 22 Familien 100 Hektar Land. Neben der Reinvestition von Erlösen verwendet die Genossenschaft einen Teil für die Förderung von Bildung. So ist Ivaras Sohn heute Elektroingenieur. Auch soziale Standards wie Unfall- und Krankenversicherung, Zuschüsse für medizinische Versorgung und die Verbesserung der sanitären und der Wohnverhältnisse hat sich die Genossenschaft auf die Fahnen geschrieben.

Erfolgreich ist sie vor allem, weil sie Trauben selbst zu hochwertigen Weinen verarbeitet und so den ganzen Mehrwert abschöpft, im Gegensatz zu Kleinbauern, deren Preise gedrückt werden. Das gilt auch für die Schokolade, die von der bolivianischen Genossenschaft El Ceibo hergestellt wird. Die Weine und die Schokolade sind im Laden in der Nürtinger Kirchstraße zu erhalten. Helmut Bürger sieht sein Engagement für Südamerika so: „Es geht auch da­rum, den Ländern etwas davon zurückzugeben, was man ihnen genommen hat.“