Zwischen Neckar und Alb

Aufstand der Gartenschau-Väter

Städteplanung Der ehemalige Plochinger Bürgermeister Eugen Beck sowie Hartmut Strobel und Andreas Sättele beziehen Stellung gegen Pläne für einen Neubau auf dem Bruckenwasen. Von Claudia Bitzer

Hier soll das Haus entstehen, das seine Nachbargebäude um rund zehn meter überragen würde.Foto: pr
Hier soll das Haus entstehen, das seine Nachbargebäude um rund zehn meter überragen würde.Foto: pr

Seit mehr als zehn Jahren ist der ehemalige Plochinger Bürgermeister Eugen Beck, Vater der Landesgartenschau 1998, nicht mehr im Amt. Nie hat er sich während dieser Zeit in die Geschäfte seines Nachfolgers eingemischt. Doch in Anbetracht der Planungen, auf dem Bruckenwasen ein sechsgeschossiges Haus plus zurückgezogenem Dachgeschoss zuzulassen, war Schluss mit der vornehmen Zurückhaltung. Leidenschaftlich soll er sich bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung gegen das Projekt gestemmt haben, mit dem ein privater Investor 20 Eigentumswohnungen schaffen will. Und für das die Stadt den Bebauungsplan ändern muss.

Nur rund 20 Interessierte waren bei der Informationsrunde in der Stadthalle. Trotzdem: Der Auftritt von Eugen Beck und Hartmut Strobel, ehemaliger Stadtkämmerer und ehrenamtlicher Geschäftsführer der Landesgartenschau 1998, war so eindrücklich, dass er umgehend nach draußen drang. Beck will öffentlich nicht mehr viel dazu sagen. Dafür sprechen Strobel und Andreas Sättele, damals Verbandsbauamtsleiter und heute ebenfalls im Ruhestand, deutliche Worte: Pointiert formuliert, wirft das Gartenschau-Triumvirat der amtierenden Stadtverwaltung und den Stadträten Verrat an der Konzeption der Landesgartenschau 1998 vor.

Mit der Gartenschau hatte es sich Plochingen zum Ziel gesetzt, die Gewerbebrache zu einem nachhaltigen Naherholungsgebiet zu entwickeln und rund um die denkmalgeschützte alte Spinnerei das Thema Wohnungsbau aufzugreifen. Der Tessiner Architekt Ivano Gianola war für die städtebauliche Konzeption, Jörg Stötzer aus Stuttgart für die Landschaftsplanung verantwortlich. Wohnungsbau wie Blumenschau waren höchst umstritten. Ein Bürgerentscheid stärkte Beck den Rücken. Deshalb sehe er sich den Kriterien verpflichtet. Doch die würde man mit dem aktuellen Bauvorhaben kippen, meint Strobel.

Beck, Strobel und Sättele stoßen sich bei dem geplanten Kubus-Gebäude mit einer Grundfläche von knapp 18 auf 18 Metern aber nicht nur an der Masse, sondern vor allem an der Höhe des Klotzes. Man habe seinerzeit bewusst darauf verzichtet, die beiden Nachbargebäude fünfgeschossig zu bauen, wie es der Bebauungsplan ermöglicht habe, so Strobel, um einen fließenden Übergang zum Landschaftspark zu schaffen. Mit seinen sechs Vollgeschossen plus dem Dachgeschoss würde der 21 Meter hohe Kubus seine viergeschossigen Nachbarn um nahezu zehn Meter überragen. Strobel sieht bei diesen Dimensionen dramatische Folgen für das Gartenschaugelände und das Café Steiner am Fluss. Die drei Väter der Gartenschau plädieren dafür, den Bürgern mit einem Schnurgerüst den Umfang des Gebäudes deutlich zu machen und Stötzer und Gianola in eine Bewertung mit einzubeziehen.

Zumal ein Haus dieser Art die gesamte Konzeption des Gartenschauareals über den Haufen werfe. „Bewusster Schwerpunkt der Bebauung war die alte Spinnerei. Kein Gebäude sollte höher sein als sie.“ Darauf hat Sättele seinen Nachfolger Wolfgang Kissling bereits im April 2017 aufmerksam gemacht, als der ihn um eine Stellungnahme gebeten hatte. Zudem seien alle Lärmschutzvorrichtungen an der Bundesstraße auf diese Gebäudehöhen ausgelegt. Sättele: „Man sollte sich schon mit den Gedanken des Gartenschauareals auseinandersetzen und einen gewissen Respekt vor etwas zeigen, das man übernommen hat.“ Das Gartenschau-Trio plädiert dafür, den Park unter Landschaftsschutz zu stellen, um Eingriffe für die Zukunft völlig zu unterbinden.

Dass er das von Anfang an im Bebauungsplan vorgesehene Grundstück gar nicht mehr auf den Markt bringen soll, kann sich Becks Nachfolger, Bürgermeister Frank Buß, indessen nicht vorstellen. „Der Bruckenwasen ist sein Kind. Dass er bei einer öffentlicher Versammlung seine Position erläutert, muss man als Bürgermeister auch aushalten“, so Buß zu Becks Gefühlsausbruch. Doch Gemeinderat und Verwaltung hätten sich ja auch mit dem Thema beschäftigt. „Es war Beschlusslage des Gemeinderats, mit einem zusätzlichen Geschoss in die öffentliche Auslegung zu gehen.“ Die viergeschossige Abstufung zum Gartenschaugelände hin sei aus der Aktenlage allerdings nicht erkennbar gewesen.

Man werde jetzt sammeln und bewerten, er wolle da niemandem vorgreifen. Von einem Gerüst zur Visualisierung der geplanten Gebäudedimensionen hält Buß allerdings nichts. Dass der Kubus das Café Steiner am Fluss ruiniere, könne er nicht sehen. „Das Gebäude verdeckt dann nur etwas die Sicht auf die Hochbrücke der B 10.“

Und eines müsse man auch bedenken, wenn es um die Ressource Boden gehe: Mit dem geplanten Haus auf dem Bruckenwasen könne man auf einer überschaubaren Grundfläche 20 Wohnungen bauen.

Diese Ost-Ansicht zeigt den Höhenunterschied zwischen dem geplanten Punkthaus, der laut dem geltenden Bebauungsplan zulässigen G
Diese Ost-Ansicht zeigt den Höhenunterschied zwischen dem geplanten Punkthaus, der laut dem geltenden Bebauungsplan zulässigen Gebäudehöhe (grauer Hintergrund) und seinem deutlich niedrigeren Nachbargebäude. Grafik: Geiselmann+Hauff