Zwischen Neckar und Alb

Azubis lernen Demokratie

Bildung „Du hast die Wahl in Wahlingen“: Bei diesem Rollenspiel haben rund 100 Azubis und angehende Verwaltungswirte im Landratsamt ihr Wissen zur Kommunalwahl erweitert. Von Roland Kurz

In „Wahlingen“ treten die Umwelt-Protestanten an. Überzeugen ihre ironischen Sprüche?Foto: Andreas Kaier
In „Wahlingen“ treten die Umwelt-Protestanten an. Überzeugen ihre ironischen Sprüche?Foto: Andreas Kaier

Kommunalwahl ist nicht kinderleicht. Wer Stimmen kumuliert oder zwischen den Listen panaschieren will, muss Bescheid wissen. In einem Planspiel haben rund 100 Schüler der Verwaltungsschule Esslingen und die Azubis des Landratsamts ihr Wissen erweitert und ihr organisatorisches Können verbessert. „Du hast die Wahl in Wahlingen“ heißt das Spiel, das die Landeszentrale für politische Bildung für alle Schularten anbietet. Die Schüler schlüpfen dabei in die Rolle von Parteikandidaten, Journalisten und Bürgern - und selbstverständlich gehen sie auch Probe wählen.

Zum Planspiel hat Landrat Heinz Eininger auch seine Azubis aus dem Abfallwirtschaftsbetrieb, der Straßenmeisterei und dem Vermessungsamt sowie die Praktikanten für den gehobenen Dienst begrüßt. Und natürlich hat er ihnen ans Herz gelegt, am 26. Mai in echt zur Kommunal- und Europawahl zu gehen. Viele der jungen Leute dürfen zum ersten Mal an die Wahlurne.

„Es ist schon viel Vorwissen da“, lobt Spielleiterin Charlotte Meyer zu Bexten. Die Verwaltungsschule in Esslingen bildet schließlich den Abschluss der Ausbildung zum mittleren Dienst.“ Die bringen viel Organisationskenntnisse mit“, sagt Anja Off, die kommissarische Leiterin der Verwaltungsschule, „das ist Teil der Ausbildung, jetzt können sie das praktisch anwenden.“

Nach einer theoretischen Einführung treten die Azubis in die sechs kommunalen Listen von „Wahlingen“ und zwei Bürgerinitiativen ein. Bei fünf Themen streiten sich die „Wahlinger“: den Sportplatz im Naturschutzgebiet, das freie WLAN, den Umbau des Jugendzentrums, die Videoüberwachung und die Nachtbusse. Das könnte in jeder baden-württembergischen Stadt so passieren.

Jede Gruppierung erarbeitet zunächst ihr Wahlprogramm und bereitet Schautafeln für den „Bürgerinfotag“ vor. Auf dem „Marktplatz“ im Flur treffen die Parteien aufeinander. Man begutachtet die Plakate und diskutiert. „Warum seid ihr denn gegen freies WLAN?“, versucht Spielleiter Tobias Rieger die „PfD“ aus der Reserve zu locken. „Wir haben doch eine so schöne Stadt, da muss man nicht ständig aufs Handy gucken“, argumentiert Kandidat Armin Reisner, der im echten Leben Lukas Hoffmann heißt und eine Ausbildung in der Straßenmeisterei macht. Er findet das eine coole Idee, mal in eine Rolle zu schlüpfen und eine andere politische Meinung zu vertreten. Caroline Ifländer will Verwaltungswirtin werden, heute heißt sie aber Gerhard Schneider und ist Reporter für das „Wahlinger Radio“. Ihr macht es Spaß, „unüberlegte Aussagen“ von Parteien so darzustellen, dass ihren Hörern deutlich wird, wie schlecht die Partei ist. In der nächsten Spielrunde werden die Schüler die Elefantenrunde vorbereiten, also die Podiumsdiskussion. Und danach wird die Wahlurne benötigt, denn auch die Auszählung wird heute noch durchgespielt und am Ende die Sitzverteilung auf Realitätsnähe geprüft. Zum Schluss wird die Rolle aus dem Planspiel des Wahltages offiziell wieder abgelegt. „Das ist wichtig“, betont Spielleiterin Charlotte Meyer zu Bexten.

Das Planspiel „Wahl in Wahlingen“ kann bei der Landeszentrale für politische Bildung abgerufen werden. Vorwiegend sind es Gymnasien, die das Rollenspiel mit ihren 9. und 10. Klassen machen. Spielleiter Rieger bedauert, dass sich andere Schularten seltener melden.

Verwaltungsschule Esslingen

Die Esslinger Verwaltungsschule ist die größte der drei Einrichtungen in Baden-Württemberg. Aktuell wird sie von 86 Schülerinnen und Schülern besucht, Tendenz deutlich steigend. 39 Lehrbeauftragte aus verschiedenen Verwaltungen unterrichten nebenamtlich. Die Schule ist Standort im letzten halben Jahr der zweijährigen Ausbildung zum Verwaltungswirt (mittlerer Verwaltungsdienst) im Regierungsbezirk Stuttgart. Ausbildungsbehörden für den mittleren Dienst sind Kreis-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen aus dem Regierungsbezirk sowie das Regierungspräsidium Stuttgart selbst. Insgesamt 550 Stunden werden die Schüler in diesen Fächern unterrichtet: Staats- und Kommunalrecht, Privatrecht, Verwaltungslehre, Polizei- und Baurecht, Sozial- und Jugendhilfe. Bis auf wenige Ausnahmen hatten in den vergangenen Jahren alle Absolventen bereits zu den praktisch-mündlichen Prüfungen eine Arbeitsstelle.rok