Esslingen. Was bringt eine Beamtin, die sich noch nie etwas zuschulden hat kommen lassen, dazu, geltendes Recht zu brechen, noch dazu für einen Betrag von 15 Euro? Dieser Frage ging das Esslinger Amtsgericht auf den Grund. Einer 40-jährigen Mitarbeiterin des Esslinger Landratsamts wird vorgeworfen, ein Verfahren über ein Verwarnungsgeld verworfen zu haben, während sie in der Bußgeldstelle des Amts tätig war. Der Ehemann der Angeklagten war in Deizisau geblitzt worden, fuhr acht Stundenkilometer zu schnell und hätte demnach rund 15 Euro bezahlen müssen.
Offenbar hatte die 40-Jährige, die während der Verhandlung von einer Vorgesetzten als „vorbildliche Mitarbeiterin“ beschrieben wurde, den Strafzettel zu Hause in der Post gefunden und ihn dann mit zur Arbeit genommen, um das Verfahren dort einzustellen. Ihr Mann habe davon nichts gewusst, beteuerte die Frau. Aufgeflogen war die Tat, weil man ihr eigentlich eine besser bezahlte Teilzeitstelle anbieten wollte, vorher aber noch Stichproben ihrer Arbeit genommen habe, berichtete die Vorgesetzte. Dabei sei die Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Man habe die Angeklagte daraufhin zunächst versetzt, später suspendiert.
War die Angeklagte schuldfähig?
Die Angeklagte ließ über ihren Verteidiger verlesen, dass sie die Vorwürfe vollumfänglich einräume. Auf die Frage des Richters nach dem Warum hatte die Angeklagte keine Antwort. „Das frage ich mich bestimmt jeden zweiten Tag“, so die 40-Jährige.
Ein Jurist des Landratsamtes sowie die Vorgesetzte der Frau wurden in der Verhandlung als Zeugen gehört. Beide gaben an, die Angeklagte habe schnell gestanden. „Sie ist dann auch in Tränen ausgebrochen, das hat uns nicht kalt gelassen“, sagte die 54-jährige Zeugin. In ihrem Bericht eines entsprechenden Personalgesprächs hatte sie festgehalten, dass sie die Tat auf einen „psychischen Ausnahmezustand“ der Angeklagten zurückführe.
Ein minder schwerer Fall von Rechtsbeugung sei im Gesetz nicht vorgesehen, sagte Richter Arndt. Vielmehr müsse ein Amtsträger bestraft werden, der sich einen Vorteil verschaffe. Das sei nötig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in Amtsträger nicht zu gefährden. Zu einem Urteil kam es noch nicht. Nachdem der Richter sich zunächst dagegen ausgesprochen hatte, die Angeklagte auf eine verminderte Schuld- und Steuerungsfähigkeit untersuchen zu lassen, kam er nach Beratung mit den Schöffinnen doch zu der Entscheidung, zu dem Verfahren einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der wird am 11. Mai um 10 Uhr voraussichtlich seinen Bericht vorstellen. Julia Theermann