Zwischen Neckar und Alb
Beschuldigter entlastet mitangeklagten Bruder

Gericht Im Prozess bestreiten die Angeklagten, dass es sich um eine blutige Bandenfehde gehandelt hat.

Plochingen. Der Prozess vor der 9. Großen Strafkammer beschäftigt sich weiter mit bandeninternen Revierstreitigkeiten einer Gruppierung, die der verbotenen Straßengang Red Legion nahestehen soll. Kaum war die Verhandlung eröffnet, wurde sie nach wenigen Minuten auch schon wieder unterbrochen, weil sich einer der Angeklagten mit seinem Verteidiger besprechen wollte. Danach ließ der Beschuldigte eine Erklärung verlesen, die ein neues Licht auf die Geschehnisse im Frühjahr vergangenen Jahres werfen könnte. Dem 30-Jährigen und seinem mitangeklagten Zwillingsbruder, beide sitzen in Untersuchungshaft, und einem 27-Jährigen, der inzwischen auf freiem Fuß ist, wird unter anderem versuchter Totschlag vorgeworfen. Sie sollen einen 21-Jährigen aus einem konkurrierenden Lager in Plochingen mit zwei Stichen und einem Durchschuss des rechten Oberschenkels schwer verletzt und seinen Tod billigend in Kauf genommen haben. Das Opfer soll unmittelbar davor mit zwei Kumpanen einen ihrer Freunde unweit von dessen Friseursalon angegriffen und mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt haben. In dieser Sache ist der Prozess bereits abgeschlossen.

Der 30-jährige Angeklagte bestätigte in der Stellungnahme, dass er und sein Bruder zusammen mit anderen dem Angreifer hinterhergerannt seien. Sein Bruder habe die Verfolgung aber bereits früher abgebrochen und sei nicht am Tatort gewesen. Mit dieser Aussage wolle er seinen Bruder schützen. Die Annahmen, die in dem Prozess zusammengetragen worden seien, nannte er „inakzeptabel“. So habe er keine Verbindung mehr zu Red Legion. „Ich wollte den Täter stellen, aber keine Vergeltung. Ich wusste nichts über die Nürtinger Tat“, las der Verteidiger in seinem Namen vor. Damit sollte die Version der Anklage entkräftet werden, wonach es sich um eine Bandenfehde handelt und den Beteiligten bewusst hätte sein müssen, dass Streit notfalls auch mit Waffen ausgetragen werden könnte. „Total geschockt“ sei er gewesen, als er gesehen habe, dass einer aus der Verfolgergruppe eine Waffe dabei hatte. Als dann ein Schuss fiel, sei er weggelaufen. Sein Verteidiger stellte unter anderem einen Antrag, dass ein Bandenexperte der Polizei geladen wird. Dieser solle bestätigen, dass sich der Angeklagte aus dem Red-Legion-Umfeld gelöst habe. Der Anwalt seines Bruders forderte, dass sein Mandant aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Es bestehe kein dringender Tatverdacht. Bereits zum Prozessauftakt hatte der 27-jährige Mitangeklagte eine Beteiligung an der Tat bestritten. Im Nürtinger Fall, der den Taten in Plochingen vorangegangen war, wurde der Hauptangeklagte wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren Haft verurteilt. Im Plochinger Prozess wurden die Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Haft- und Jugendstrafen zwischen ein und drei Jahren verurteilt. Der Prozess wird am Dienstag, 26. Januar, um 14 Uhr fortgesetzt. Petra Pauli