Zwischen Neckar und Alb

Blinde Zerstörungswut?

Ermittlungen Unbekannter schlitzt im Kreis Esslingen 53 Cabrio-Verdecke auf und gibt der Polizei Rätsel auf. Zudem geraten hochwertige Autos immer stärker ins Visier krimineller Banden. Von Melanie Braun

53 Cabrio-Verdecke wurden in den vergangenen Wochen im Kreis Esslingen mit brachialer Gewalt zerstört.Foto: Tanja Spindler
53 Cabrio-Verdecke wurden in den vergangenen Wochen im Kreis Esslingen mit brachialer Gewalt zerstört.Foto: Tanja Spindler

Aufgeschlitzte Cabrios und ausgeraubte BMW: Autos scheinen bei Kriminellen in Stadt und Kreis Esslingen derzeit hoch im Kurs zu stehen. Die Polizei geht davon aus, dass professionelle Banden für die zahlreichen Diebstähle von Lenkrädern samt Airbags sowie Navigationsgeräten aus den BMW verantwortlich sind. Doch was es mit den beschädigten Cabrios auf sich haben könnte, darauf kann man sich noch keinen Reim machen.

Vor wenigen Tagen erst hat die Polizei erneut einen Fall regis­triert, bei dem das Verdeck eines Cabrios zerstört wurde. Ein Unbekannter schlitzte in Esslingen das Dach eines VW Golf Cabrio fast auf der gesamten Länge vom Kofferraum bis zur Windschutzscheibe auf und richtete damit einen Schaden von rund 3 000 Euro an.

Das ist längst nicht der einzige Vorfall dieser Art: Seit Mitte November musste die Polizei Dutzende dieser Fälle aufnehmen, der jüngste ist die Nummer 53. „Wir wissen nicht, was dahintersteckt“, sagt Michael Schaal, Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen, das auch für Esslingen zuständig ist. „Da geht es offenbar um blinde Zerstörungswut.“ Denn in den meisten Fällen werde nichts aus den Autos gestohlen, dafür aber maximaler Schaden am Verdeck angerichtet.

Oft gehe die Sache sehr schnell. Er wisse von Leuten, die ihren Wagen nur eine halbe Stunde vor dem Haus abgestellt hatten - als sie wiederkamen, war das Dach kaputt, erzählt Schaal. Doch ob es sich um einen oder mehrere Täter handle, sei unklar. Dass meistens nichts gestohlen werde, manchmal aber doch, könne vielleicht ein Hinweis auf einen zweiten Täter sein. Eine vergleichbare Serie solcher Taten ist Schaal nicht bekannt. Dass Diebe das Verdeck von Cabrios aufschlitzten, um etwas zu stehlen, gebe es immer mal wieder. „Aber an eine reine Zerstörungswut wie hier kann ich mich nicht erinnern“, sagt der Polizeisprecher. Schaal empfiehlt Besitzern von Cabrios vorsichtig zu sein. „Nicht jeder hat eine Garage, aber wer eine hat, sollte das Auto auf jeden Fall dort abstellen“, sagt er. Zudem sollten die Leute aufmerksam sein und sofort bei der Polizei Bescheid sagen, wenn sie etwas Verdächtiges beobachteten.

Das gleiche gilt für die aufgebrochenen Fahrzeuge der Marke BMW. Auch hier hofft die Polizei auf Hinweise von Zeugen. Denn seit Anfang November hat sie im Kreis Esslingen zahlreiche dieser Fälle registriert, gestohlen wurden meist hochwertige Lenkräder mitsamt Airbags sowie Navigationssysteme. Nachdem zunächst vor allem der Stadtteil Scharnhausen in Ostfildern sowie Wernau von den Dieben heimgesucht wurden, schlugen sie jüngst in der Kirchheimer Gegend zu. Bereits jetzt beträgt der Schaden insgesamt mehrere Zehntausend Euro. Wer für die Aufbrüche und Diebstähle verantwortlich ist, weiß man bei der Polizei noch nicht. „Aber man muss davon ausgehen, dass es sich um eine Tätergruppe handelt, die ganz gezielt aktiv ist“, sagt Josef Hönes, ebenfalls Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen. Eventuell seien auch mehrere professionelle Diebesbanden aktiv, denn die Fälle kämen nicht nur im Kreis Esslingen, sondern in der gesamten Region gehäuft vor. Betroffen seien vor allem Gebiete nahe der Autobahn.

Man gehe davon aus, dass die gestohlenen Teile vor allem zur Nachrüstung und als Ersatzteile angeboten würden, sagt Hönes. So sei es offenbar in China üblich, Autos mit Standardausstattung zu kaufen, weil bei Sonderausstattungen wohl eine Art Luxussteuer fällig werde. Nach dem Autokauf rüsteten viele Besitzer die Fahrzeuge mit Zusatzteilen auf, die sie im Internet bestellten. Daher gebe es einen großen Markt für hochwertige Fahrzeugteile.

Und China sei nur ein Beispiel. Man müsse davon ausgehen, dass das Diebesgut über das Internet in die ganze Welt weiterverkauft werde, sagt Josef Hönes. So sei zum Beispiel bekannt, dass Ersatzteile für Autos auch in Osteuropa sehr begehrt seien. Dort würden oft Schrottautos angekauft und wieder aufgepäppelt. Wenn etwa in einem Wagen der Airbag bereits einmal ausgelöst wurde, werde gern ein neues Lenkrad mit integriertem Airbag in das Fahrzeug eingebaut - der Bedarf sei also da.