Zwischen Neckar und Alb

Brexit, Bürokratie und ausgebremste Wirtschaft

Wirtschaft Wenn sich das Königreich aus der EU verabschiedet, hat das auch Folgen für regionale Unternehmen.

Kreis. Lange ist es nicht mehr hin, bis das Vereinigte Königreich sich aus der Europäischen Union verabschiedet. Der 29. März hängt wie ein Damoklesschwert über den verbleibenden Mitgliedsstaaten. Da stellen sich Fragen an die Unternehmen, die eng mit England verbunden sind. Aktuell bleibt zudem ungewiss, wie genau der Austritt ausgehen wird.

Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, zeigt sich wenig optimistisch: „Für baden-württembergische Unternehmen, die Geschäfte mit oder im Vereinigten Königreich tätigen, drohen Zollkontrollen, auch an der Grenze zwischen Nordirland und Irland, sowie Einfuhrzölle basierend auf dem WTO-Status.“ Für die bestehenden Geschäftsbeziehungen sieht Schmalzl deutliche Veränderungen: „Es gibt erheblich mehr bürokratischen Zeitaufwand, entfallende Marktzugangsvoraussetzungen und steuerliche Verwerfungen.“ Verschiedene „Brexit-Szenarien” mit unterschiedlichen Folgen für Zollrecht und Exportkontrolle sind weiterhin denkbar.

Wie sich die einzelnen Betriebe oder Arbeitnehmer auf den möglichen harten Ausstieg vorbereiten, hängt von der Geschäftsstrategie ab. Die IHK bietet bereits jetzt Unterstützung an, damit sich alle auf die Zeit danach vorbereiten können. Auf der IHK-Homepage wurde der Reiter „Brexit Update“ installiert. Ebenso wurde eine Brexit-Hotline (Telefon 07 11/20 05 12 43) eingerichtet. Johannes Schmalzl bestätigte, dass es zusätzliche Info-Veranstaltungen für Neulinge in der Zollabwicklung mit Vermittlung von Grundlagenwissen für den Import/Export gäbe. „Darüber hinaus können betroffene Unternehmen online die Brexit-Checkliste „Are You Ready for Brexit?“ des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nutzen. Außerdem erklärt ein Brexit-Glossar des DIHK wichtige Begriffe im Zusammenhang mit dem Brexit kurz und knapp.

Die IHK Region Stuttgart bündelt Forderungen der Wirtschaft und führt Diskussionen mit der Brexit Taskforce der EU. Es gibt also viel zu tun und Schmalzl betont: „Insbesondere Detailfragen mit großen praktischen Auswirkungen müssen geklärt werden, gerade zu Themen wie Umgang mit Handelsabkommen, Rückwarenregelung, Exportkontrolle oder gemeinsame Versandverfahren.“ Mindestens 1 800 Unternehmen in Baden-Württemberg machen Geschäfte mit Großbritannien. Die Industrie im Landkreis Esslingen ist auf der Insel gut vertreten - bis jetzt. Johannes Schmalzl kennt die Zahlen und die Hauptexportwaren: „Am meisten werden Autos und Kfz-Teile sowie Maschinen aus Baden-Württemberg in das Vereinigte Königreich geliefert, sodass viele Unternehmen betroffen sind.“ Panik soll zwar keine Aufkommen, aber Luftsprünge sind ebenfalls nicht angebracht.„Die IHK Region Stuttgart rät den Unternehmen, sich auf einen ungeordneten Austritt vorzubereiten. Wegen des Mehraufwands an Bürokratie ist es empfehlenswert, dass Unternehmen die noch verbleibende Zeit gut nutzen, um sich auf die neuen Bedingungen einzustellen, insbesondere bezüglich Warenverkehr, Verträge, Lieferketten, Präferenznachweisen und Anzeigepflichten.“

Auswirkungen für Beschäftigte

Auswirkungen des Brexits auf die Beschäftigung in hiesigen Unternehmen werden aus Sicht der IHK nur geringfügig ausfallen. Anders ist es für Arbeitnehmer auf der Insel: „Negative Auswirkungen dürfte der Brexit für die Beschäftigten in UK haben, wenn diese Standorte geschlossen werden, wie sich teils schon jetzt andeutet.“ Viele internationale Unternehmen verlassen den UK-Markt schon jetzt oder planen, dies nach dem Brexit zu realisieren. Auf die Investitionen hat der Brexit ebenfalls Auswirkungen, vor allem, wenn der wahrscheinliche harte Ausstieg kommt, wie Johannes Schmalzl erklärt: „Der harte Brexit lässt die Investitionen der hiesigen Industrie im Vereinigten Königreich schrumpfen, in der Eurozone bleiben die Auslandsinvestitionen ansteigend, in der restlichen EU konstant.“ Thomas Krytzner