Zwischen Neckar und Alb
Corona bekommt nur die Bronzemedaille

Kunst Der Berliner Maler Moritz Schleime zeigt aktuelle Arbeiten in der Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung in ­Nürtingen. Ab Ende Mai wird es wahrscheinlich möglich sein, die Kunstwerke live zu erleben. Von Corinna Meinke

Slow Explosion titelt eines der Werke, die der Berliner Maler Moritz ­Schleime in seiner Ausstellung „Auf hoher See“ in den Räumen der Nürtinger Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung zeigt. Das Bild von der „inneren Explosion“ habe er im Sommer 2020 unter dem Eindruck der Corona-Pandemie gemalt, berichtet er in einem Film, den der Südwestrundfunk in der Nürtinger Schau aufgenommen hat. Schleimes Arbeit zeigt eine junge Frau, die auf der Motorhaube eines roten Cadillacs mit platten Reifen liegt und nur darauf zu warten scheint, dass ihre Kaugummiblase endlich platzt. „Wir können nicht wegrennen, obwohl wir Raketen oder Autos haben“, beschreibt Schleime die derzeitige Lage im Lockdown. Und trotzdem gebe es Hoffnung. Das blaue Meer in der Ferne auf seinem Bild sei dafür ein Zeichen.

Der Film bietet in diesen kontaktarmen Zeiten übrigens eine gute Einführung in Schleimes malerische Welt, denn immer noch müssen die Museen im Kreis Esslingen pandemiebedingt geschlossen bleiben. Auch Schleimes Schau musste bisher ohne Besucherinnen und Besucher auskommen. Anstelle einer Vernissage hatte lediglich eine digitale Eröffnung stattgefunden. Jetzt hoffen die Nürtinger Verantwortlichen auf eine Eröffnung am 30. Mai und haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit die Schau um zwei Wochen bis zum 30. Juni verlängert werden konnte. „Wir sind den Sammlern sehr dankbar, dass die Werke länger hängen können als geplant“, erklärt der Kurator Nikolai B. Forstbauer. Diese Ausstellung werde sich bald wieder auflösen, denn viele Werke stammten eben aus Privatbesitz und gingen zurück nach Amsterdam, Helsinki und nach Frankreich.

Grelle Buntheit neben dunkler Szenerie, Zerfall neben Vitalität - Schleime arbeitet mit starken Gegensätzen. Immer wieder überraschen seine Protagonisten mit skelettierten Körperteilen und bunten Totenköpfen. Da spielt ein Knochenmann auf dem Schifferklavier, und am paradiesischen Strand kutschiert ein anderer Sensenmann eine ebenfalls skelettierte Dame, die eine Zigarre schmaucht.

Der 48-jährige Schleime bediene sich aus dem Repertoire seiner Generation, begründet Forstbauer das Themenspektrum. Die Filmreihe „Der Fluch der Karibik“ lässt bei Schleime genauso grüßen wie der Computerspiel-Klassiker „The Secret of Monkey Island“ mit seinen sprechenden Totenschädeln. „Wenn man dieses Spiel kennt, versteht man einen Ansatz meiner Bildwelt. Aber im Grunde mag ich es, wenn ein Bild ein Geheimnis bleibt. Auch für mich selbst“, berichtet der Maler im Artist Talk, den die Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs veröffentlicht hat.

Musik als Inspiration

Die Skelette in seinen Bildern seien als ein Memento mori gedacht und erinnerten daran, dass etwas im Leben zu Ende geht. Er habe eine schlimme Zeit mit dem Verlust geliebter Menschen, Krankheit, Trennung und Tod hinter sich, bekennt der Künstler. Corona bekomme in dem ganzen Übel seiner schlechten Erfahrungen nur die Bronzemedaille.

Fast wäre Schleime Musiker geworden, und da er beim Arbeiten meist Musik höre, verwende er häufig Liedzeilen, Song- und Albumtitel für seine Arbeiten.

Die Schau „Auf hoher See“ wird in der Ruoff Stiftung, Schellingstraße 12 in Nürtingen, bis 30. Juni verlängert. Wenn die Inzidenz konstant tief bleibt, soll das Haus Besuchern mit negativem Corona-Test oder kompletter Impfung vom 30. Mai an offen stehen: donnerstags bis samstags von 15 bis 18 Uhr und an Sonntagen von 14 bis 18 Uhr. Link zum Film und Infos auf www.ruoff-stiftung.de.