Zwischen Neckar und Alb
Corona lässt die Drähte glühen

Notruf Während die Feuerwehren im Kreis Esslingen im Jahr 2020 weniger im Einsatz waren, gab es für die Rettungsdienste mehr Arbeit. Übergriffe auf Helfer nehmen zu. Von Thomas Krytzner

Seit fünf Jahren ist die Integrierte Leitstelle Esslingen (ILSE) in Betrieb. Sechs Mitarbeiter vom Rettungsdienst und zwei von der Feuerwehr nehmen dort Anrufe über die europäische Notrufnummer 112 rund um die Uhr entgegen. Die Corona-Pandemie wirkte sich im vergangenen Jahr auch auf die Anzahl und vor allem die Art der Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst aus.

Wie Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich erklärt, nahmen zahlenmäßig die Brandeinsätze im vergangenen Jahr zu. Musste die Feuerwehr im Jahr 2019 noch 677 Mal zu Bränden ausrücken, waren es letztes Jahr 712 Einsätze. „Die Bürger waren viel mehr zu Hause, deshalb gab es mehr Kleinbrände“, vermutet Bernhard Dittrich. Positiv: Dadurch konnten mittelgroße Brände verhindert werden. Einen deutlichen Rückgang gab es auch bei den technischen Hilfeleis­tungen: Rückte die Feuerwehr im Jahr 2019 noch zu 2532 Einsätzen - meist auf die Autobahn - aus, waren es im Folgejahr rund 20 Prozent weniger. Bernhard Dittrich erklärt: „Auf den Straßen war im vergangenen Jahr deutlich weniger los.“ Insgesamt gab es für die Feuerwehrangehörigen somit weniger Einsätze. Auch Fehlalarme gingen zurück. Dies führt Dittrich auf weniger Produktion in der Industrie zurück.

Derzeit stehen bei den 44 Gemeindefeuerwehren im Kreis 3833 ehrenamtliche und 54 hauptamtliche Kräfte Tag und Nacht bereit, um zu helfen. Weitere 229 Feuerwehrangehörige sind bei den sieben Werkfeuerwehren beschäftigt. „Das Personal ist das Wichtigste“, sagt Bernhard Dittrich, „und das passendes Equipment.“ Er ist zufrieden, dass sämtliche Anträge, die im Jahr 2020 eingingen, gefördert werden konnten, wenn auch nur mit kleineren Beträgen.

Aggressive Schaulustige

Die Kräfte der Rettungsdienste verzeichnen in den vergangenen Jahren eine zunehmende Aggressivität unter den Schaulustigen. Rolf Wieder, Leiter der ILSE, bringt es auf den Punkt: „Zwei Kollegen vom Rettungsdienst mussten nach einer Attacke durch Gaffer in der Klinik behandelt werden. Im vergangenen Jahr gab es vier tätliche Angriffe auf Rettungskräfte.“ Matthias Spange, Fachbereichsleiter Feuerwehr bei der ILSE, stellt eine mangelnde Akzeptanz bei Einsätzen fest: „Es wird alles gefilmt und dokumentiert. Die Kräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst stehen im Fokus und alles wird beobachtet.“ Während die Feuerwehrangehörigen ihre Hilfeleistung wegen den Absperrungen meist in Ruhe verrichten können, gibt es beim Rettungsdienst vermehrt Rempeleien an Einsatzorten. „Wir schulen unser Personal entsprechend“, erklärt Wieder. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Rettungsdienste knapp 130 000 Vorgänge. Während die Notfallrettung leicht rückläufig war, nahm die Zahl der Krankentransporte zu.

Eine deutliche Zunahme verzeichnete der Rettungsdienst coronabedingt im März 2020. Rolf Wieder lobte die Arbeit der Disponenten: „In der schwierigen Lage waren sie oft an der Belastungsgrenze.“ Um einen Totalausfall der ILSE zu verhindern, schaffte man acht Homeoffice-Arbeitsplätze. Derzeit bereiten sich die Mitarbeiter der Leitstelle auf die bundesweite Notruf-App vor, die in diesem Jahr auf den Markt kommt. „Die App ist zukünftig als Ersatz für das Gehörlosenfax gedacht, es ist aber nicht auszuschließen, dass dieses Programm in der jüngeren Bevölkerung Verbreitung findet.“