Zwischen Neckar und Alb

Corona trifft das kirchliche Leben hart

Krise Gottesdienste dürfen auch an Ostern nicht gefeiert werden. Dekan Paul Magino sieht trotzdem viele Chancen, sich im Glauben nahe zu sein. Von Harald Flößer

Voll besetzte Kirchenbänke wird es selbst an Ostern dieses Jahr nicht geben.Archivfoto: Markus Brändli
Voll besetzte Kirchenbänke wird es selbst an Ostern dieses Jahr nicht geben. Archivfoto: Markus Brändli

Ostern, das zentrale Fest der Christenheit, ohne Gottesdienste? Für viele, die die Gemeinschaft im Glauben schätzen, ist das schier unvorstellbar. Aber man wird sich wohl darauf einstellen müssen, die Auferstehung Christi nicht miteinander feiern zu können. Denn in den Kirchen dürfen bis auf Weiteres keine Zusammenkünfte stattfinden, um das Corona-Virus über große Menschenansammlungen nicht weiter zu verbreiten. Auch für Paul Magino, Pfarrer der Seelsorgeeinheit St. Kolumban (Wendlingen/Oberboihingen) und „Zum Guten Hirten“ (Köngen/Unterensingen), ist das eine völlig ungewohnte Situation. Auch ihn als Seelsorger und Dekan des katholischen Dekanats Esslingen-Nürtingen zwingt die Krise zu neuen Wegen - für das Miteinander in seinen Kirchengemeinden, aber auch für seinen eigenen Tagesablauf.

Zusätzliche Hotline eingerichtet

Ja, selbstverständlich suche auch er Unterstützung, antwortet Magino auf die Frage, ob ihn die Pandemie mit ihren verheerenden Folgen in der ganzen Welt nicht auch belaste. Zuspruch findet er, wenn er morgens um 7 Uhr auf „Vatikan News“ das Tagesevangelium hört. Aus dem Mund des Papstes die frohe Botschaft zu vernehmen, „das ist meine Stütze“, sagt der Pfarrer. Da spüre er eine große Verbundenheit und die stärke ihn.

Zuspruch wie er selbst suchten in diesen Tagen mehr Gemeindemitglieder denn je, berichtet Magino. Weil die Zahl der Anrufer, vor allem mit ganz persönlichen Anliegen, deutlich gestiegen sei, habe man im Pfarramt eine zweite Telefonnummer freigeschaltet. Viele befielen angesichts der ungewissen Lage große Ängste und Unsicherheit. Solchen Leuten gebe er erst einmal Zeit, sich alles von der Seele zu reden, erzählt Magino von den Gesprächen.

„Hinhören und raushören, was den jeweiligen Anrufer bedrückt“, sei seine allererste Aufgabe. Es komme aber auch darauf an, den Menschen mit ihrer Angst vor der Zukunft Mut zuzusprechen, „damit sie sich nicht selbst aufgeben“. „Stützend wirken, ohne dabei zu belehren“, darin sieht er seinen Job als Seelsorger.

Die von Bund und Land verordneten Regelungen müsse man sehr ernst nehmen, sagt er. Zuweilen sieht er sich veranlasst, auf Leute, die die Sache nicht ernst genug nehmen und sich zu nahe kommen, einzuwirken. „Ich bin schon auf den einen oder anderen zugegangen und habe sie aufgefordert: Haltet doch, bitte, Abstand“, berichtet der Dekan.

Auch wenn es derzeit keine Gottesdienste gebe, stünden die Kirchen tagsüber offen. Das sei Einladung an alle, für ein Innehalten oder ein kurzes Gebet hereinzukommen. Wer trotzdem nicht auf die Eucharistiefeier oder einen Wortgottesdienst verzichten möchte, dem empfiehlt Magino die Homepage des ZDF. „Da gibt es gute Angebote“, berichtet er. Auf www.drs.de, der Internet-Plattform der Diözese Rottenburg-Stuttgart, werde jeden Sonntag ab 9.30 Uhr ein Gottesdienst übertragen, den Bischof Gebhard Fürst zelebriert. An den Osterfeiertagen seien zusätzliche Angebote ge- plant.

Für ihn sind die bevorstehenden Festtage noch mit vielen Fragezeichen versehen. „Ich weiß momentan noch nicht, wie Ostern werden soll“, sagt der Dekan. „Da müssen wir jetzt einfach auf Sicht fahren und warten, wie sich die Dinge entwickeln.“ Mit seinem Pastoralteam hat Magino vor, in der Osternacht in kleinerer Form einen Gottesdienst zu feiern, in dem die Osterkerzen entzündet werden, bevor sie in die von ihm betreuten vier Kirchengemeinden in Wendlingen, Oberboihingen, Köngen und Unterensingen gebracht werden. Auf diesen zentralen Akt, das Licht der Auferstehung symbolisch zu verbreiten, wolle man nicht verzichten. Aber auch das könne man bei einem gestreamten Gottesdienst aus dem Rottenburger Dom von zu Hause miterleben.

Natürlich sei in diesen Tagen physische Distanz das Gebot der Stunde. Doch dürfe die Nähe nicht verloren gehen. Nur müsse man dafür nun andere Formen finden. „Das ist wie die Quadratur des Kreises“, sagt Magino. Gefühl von Gemeinschaft soll auch die zusammen mit der evangelischen Kirche in Wendlingen initiierte Aktion „Himmelsanker“ vermitteln. Jeden Abend um 18 Uhr läuten alle Kirchenglocken in der Stadt. „Das ist für alle Christen eine Einladung, zu Hause zu beten“, erklärt der Pfarrer. Kleine Handreichungen mit Tipps für Gebete und persönliches Innehalten verteilt die Kirchengemeinde über ihr Mitteilungsblatt oder in den örtlichen Geschäften.

Er selbst sei normalerweise von Terminen getrieben. Oftmals sei er unter der Woche jeden Abend unterwegs, erzählt Paul Magino. „Vielleicht ist die Corona-Krise für uns alle eine Chance, unsere Strukturen und unser Leben zu überdenken. Aber auch eine Chance, aus seinem Hamsterrad auszusteigen und sich auf Wesentliches zu konzentrieren.“