Zwischen Neckar und Alb

Corona wandert auf den Müll

Bioabfall Abfuhrfirmen fehlt es in der Krise an ausreichend Mitarbeitern. Deshalb wird die braune Tonne im Landkreis auch im Sommer weiterhin nur alle zwei Wochen geleert. Von Bernd Köble

Möglichst schattig und trocken halten: In den Sommermonaten gibt es dieses Jahr keine zusätzliche Biomüllabfuhr.Foto: Jean-Luc J
Möglichst schattig und trocken halten: In den Sommermonaten gibt es dieses Jahr keine zusätzliche Biomüllabfuhr. Foto: Jean-Luc Jacques

Bewohner im Kreis Esslingen sollten in den Sommermonaten mehr denn je nach einem schattigen Plätzchen für die Biotonne Ausschau halten. Die Umstellung vom Zwei-Wochen-Takt auf eine wöchentliche Abfuhr in den heißen Monaten Juni bis September fällt in diesem Jahr flach. Das hat der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises jetzt angekündigt. Schuld daran ist wieder einmal Corona. Personalmangel und Vorkehrungen zum Schutz vor dem Virus sorgen für Engpässe in den Abfuhrunternehmen. Dabei hatte man im Esslinger Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) darauf gesetzt, dass 2020 sorglosere Zeiten anbrechen würden. Vergangenes Jahr kam es wegen Personalknappheit immer wieder vor, dass die Biotonne verspätet geleert wurde.

Die Esslinger Firma Scherrieble sorgt im Auftrag des Landkreises mit mehr als 20 Fahrzeugen und etwa 70 Mitarbeitern dafür, dass in den heißen Sommermonaten in der braunen Tonne möglichst wenig stinkt, gärt und krabbelt. Deshalb wird vier Monate lang wöchentlich geleert. Als Reaktion auf Corona hat das Unternehmen in den vergangenen Wochen feste Abfuhrteams gebildet, um im Falle einer Infektion möglichst wenig Mitarbeiter unter Quarantäne stellen zu müssen. Mit dem vorhanden Stammpersonal ist eine wöchentliche Abfuhr unter verschärften Bedingungen aber nicht möglich. Zusätzliche Arbeitskräfte sind auf die Schnelle nicht zu bekommen. Weder hierzulande noch im Ausland, da in vielen Ländern nach wie vor Reisebeschränkungen und strenge Quarantäne-Regeln gelten. Vor allem an Lkw-Fahrern herrscht ein Mangel.

„Die Entwicklung gefällt uns nicht, aber wir können die Dinge nur abmildern,“ sagt Landrat Heinz Eininger. Der Verzicht auf einen verkürzten Abfuhrtakt beim Biomüll über den Sommer stellt immerhin sicher, dass die gewohnten Abfuhrzeiten für Hausmüll und Altapier beibehalten werden können. Haushalten, die mit der zweiwöchigen Abfuhr in der Vegetationszeit nicht auskommen, empfiehlt die Kreisverwaltung zusätzlich die Saisonbiotonne, die es von Mai bis Oktober für die halbe Jahresgebühr gibt. Das Geld für die gestrichenen Abfuhrtermine bis September bekommen die Kunden zurück. Allerdings erst mit dem nächsten Gebührenbescheid 2021. Eininger wirbt um Verständnis: „Ein früherer Termin hätte einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeutet,“ sagt er.

Gleichzeitig will der Abfallwirtschaftsbetrieb die Öffnungszeiten größerer Kompostier- und Grünschnittsammelstellen ausdehnen, um die Selbstanlieferung zu erleichtern. Als Reaktion auf den überlasteten Standort in der Kirchheimer Saarstraße hat der AWB bereits das Kirchheimer Kompostwerk vorerst bis Ende Mai auch samstags von 9 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Abgabestellen sollen folgen. „Wir prüfen gerade, was personell möglich ist,“ sagt AWB-Geschäftsführer Manfred Kopp, der hofft, dass der Andrang an den Sammelstellen nachlässt, sobald sich der Berufsalltag schrittweise normalisiert und damit Zeit für Gartenarbeit knapper wird. An den Wertstoffhöfen geht es im Moment auch deshalb nur schleppend voran, weil wegen der Ansteckungsgefahr Blockabfertigung stattfindet.

Im zuständigen Umweltausschuss des Kreistages, der am Donnerstag zum ersten Mal seit Wochen wieder regulär zusammentrat, forderte SPD-Kreisrätin Angelika Matt-Heidecker, an Brennpunkten wie der Saarstraße auch künftig flexibel und wachsam zu bleiben. „Wenn sich zeigt, dass die Maßnahmen nicht ausreichen,“ sagte Kirchheims frühere Oberbürgermeisterin, „dann müssen wir die Öffnungszeiten weiter ausdehnen.“

95 000 Behälter müssen geleert werden

Im Kreisgebiet mit seinen 44 Kommunen werden bei jeder Bio- müllabfuhr 95 000 Behälter geleert. Jedes Jahr landen dadurch rund 38 000 Tonnen organische Abfälle aus den Städten und Gemeinden im Kirchheimer Kompostwerk, die dort zu Kompost verarbeitet werden. Der wiederum kommt in Privatgärten und im Garten- und Landschaftsbau zum Einsatz. Weitere etwa 20 000 Tonnen Biomüll steuert der Kreis Böblingen jährlich als Partner bei. Im Gegenzug ist der Kreis Esslingen mit 35 Prozent an der Vergärungsanlage der Böblinger in Leonberg beteiligt.

Nach einem Brand im September 2019 ruht dort der Betrieb. Die Pläne für den Wiederaufbau sollen im Herbst abgeschlossen sein. Der Baustart für eine größere Anlage ist für Anfang 2021 geplant. Künftig sollen in Leonberg jährlich 60 000 Tonnen Biomüll verarbeitet werden können. Bei der Vergärung wird Strom gewonnen. Die Gärreste wandern zurück nach Kirchheim in die Kompostierung. bk