Zwischen Neckar und Alb
Das neue Heim des Dichtersnimmt Konturen an

Hölderlinhaus Nach langem Streit bekommt das alte Haus in Nürtingen ein neues Heim. Die Baustelle liegt voll im Zeitplan. Ob allerdings der Kostenrahmen eingehalten werden kann, bleibt fraglich. Von Andreas Warausch

Noch gar nicht so lange ist es her, da bestand das Nürtinger Hölderlinhaus gerade noch aus dem Keller und zwei Originalwänden entlang der Neckarsteige und Richtung Innenstadt. Beide wurden dabei mit flugzeugschweren Gegengewichten stabilisiert. Der Rest des Hauses war Stein für Stein von Hand abgebaut worden, um erhöht wieder aufgebaut zu werden.

Noch nicht viel länger ist es her, dass das Hölderlinhaus ein Zankapfel in der Stadt war. Abreißen und neu bauen? Erhalten und umbauen? Einfach so lassen? Man stritt und stritt. Manch einer konnte es kaum fassen, dass sich der

 

Wir haben hier mehr Bausubstanz als im Tübinger Hölderlinturm.
Prof. Dr. Thomas Schmidt
Hölderlinexperte

 

Gemeinderat im Juli des letzten Jahres zur zugegebenermaßen kühnen Lösung entschloss und man zwei Monate später mit dem Abbau begann.

Wer nun dort steht, wo im Frühjahr noch eben der Blick vom baulichen Tiefpunkt an den vier Stockwerken hohen Mauern vorbei in den Himmel ging, steht nun in einem Haus mit zwei alten Wänden. Die Roh- und Holzbauarbeiten sind beendet, der Rohbau wurde letzten Monat abgenommen. Freilich ist es ein altes neues Haus. Dessen Geschichte konsequent fortgeschrieben wird – und damit auch das Andenken an den Dichter Friedrich Hölderlin. Der hat dort in der Wohnung seiner großbürgerlichen Familie von 1774 Kinder- und Jugendtage verbracht.

Die einstige Wohnung wird auf 100 Quadratmetern eine moderne Dauerausstellung zum Dichter beherbergen. Dazu kommen die erhaltenen, originalen Außenwände. Auch die Trennwand hin zum Inneren wurde sorgfältig abgebaut, katalogisiert und eingelagert. Das ist konzeptionelles Kernstück. Denn auch sie wird in diesem Raum in Teilen wieder erscheinen. „Es ist ein Zitat“, sagt Susanne Ackermann. Und Professor Dr. Thomas Schmidt sagt dazu: „Was wir brauchen, ist gesichert. Wir haben hier mehr Bausubstanz als im Tübinger Hölderlinturm.“

Dass Hölderlin stets Nürtinger Bürger war, soll in der Schau hier thematisiert werden, ebenso wie sein Verhältnis zur Bildung. Schließlich war das Haus seit 1811 ein Schulhaus – und als solches wurde es immer wieder umgebaut. Nun geht es also darum, mit dem Haus auch Hölderlin in die Zukunft zu bringen. Es soll kein verstaubter Ort werden, sondern lebendiger Teil der Stadtgesellschaft sein. Auch die Verwaltung von Volkshochschule, Musik- und Jugendkunstschule und Kulturamt kommen im Haus unter, ebenso wie Seminarräume. Auch in die kann Marc Losch, verantwortlicher Projektleiter beim Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft Nürtingen, mit seinem Chef Eckart Krüger schon im ersten Dachgeschoss Einblick gewähren. Von der Lerninsel in der Mitte aus, wo man Veranstaltungen vor- und nachbereiten  kann, wird es Zugänge zu den vier Seminarräumen geben. Qualität statt Quantität. Im zweiten Dachgeschoss – das zum alten Haus hinzukommt – werden die Archive anzutreffen sein.

Ein weiterer Höhepunkt erwartet den Neugierigen ganz unten. Im Gewölbekeller lagerte Hölderlins Stiefvater Gok seinen Wein. Es ist der älteste Teil des Gebäudes. Hier wird deutlich, wie schwierig der Ab- vor dem Aufbau auch statisch war. Träger wurden eingezogen, Schächte mit Beton verschlossen, damit das Gewölbe nicht wegbrach, nachdem das Haus darüber fehlte und der Aufzugsschacht für das barrierefreie Gebäude mühsam von Hand Meter für Meter gebuddelt wurde. In gar nicht so ferner Zukunft ist der Dornröschenschlaf des Kellers beendet. Lesungen, Musik, Weinproben soll es hier für bis zu 60 Menschen geben. 

In diesem Jahr könnte es für den Gemeinderat erst einmal noch eine weniger erfreuliche vorweihnachtliche Überraschung geben. Denn die Frage, ob man den sich auf 8,5 Millionen Euro inklusive Landeszuschüssen belaufenden Kostenrahmen einhalten können wird, beantworten die Verantwortlichen anders als die nach dem Zeitplan: Man werde demnächst auf die städtischen Gremien zugehen.