Zwischen Neckar und Alb
Das Urteil zu Beerdigungen sorgt für Irritationen

Pandemie Die Evangelische Landeskirche darf mehr Trauergäste zulassen als andere Glaubensgemeinschaften.

Kreis. Das Gerichtsurteil zur Aufhebung der Teilnehmerzahl bei Beerdigungen hat im Landkreis Esslingen zu einem geteilten Echo geführt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf Beerdigungen gekippt. Bis dahin durften in Baden-Württemberg ab einer Inzidenz über 100 lediglich 30 Menschen bei der Begleitung des ­Toten dabei sein.

Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zufolge gilt d­iese Begrenzung nicht mehr - allerdings nur für die Evangelische Landeskirche Württemberg und ihre Kirchengemeinden. Für sie gelten allein die landesrechtlichen Beschränkungen, die eine maximale Teilnehmerzahl von 100 Personen vorsehen. Wegen dieses Gerichtsbeschlusses informierte das zuständige Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die kommunalen Landesverbände und Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften: „Bitte informieren Sie die Ihnen nachgeordneten Dienststellen und Gliederungen.“

Bernd Weißenborn, der ­Dekan im Evangelischen ­Kirchenbezirk Esslingen, erklärte dazu, er freue sich darüber, dass sich die Landes­kirche des Themas ­angenommen habe. „Ich habe die Begrenzung auf 30 als schwierig und ein­engend empfunden“, so Weißenborn. „Menschen müssen Abschied nehmen, es ist einfach ein Bedürfnis, dass man den letzten Weg mitgehen kann.“

Überall das gleiche Bedürfnis

Allerdings würde Weißenborn es begrüßen, wenn diese Aufhebung für andere Gemeinschaften auch gelte. Ob freikirchlich, katholisch oder nicht religiös gebunden: „Es ist überall das gleiche Bedürfnis.“ Den Beschluss auf andere Gruppen auszuweiten, liege allerdings nicht in der Verantwortung der Evangelischen Landeskirche, sondern in der des zuständigen Kulturminis­teriums. „Ich kann nur hoffe, dass die Landeskirche hier Vorreiter war. Vielleicht hat das ja eine Initialzündung, sodass die Dreißiger-Regelung erneut diskutiert wird.“

Das Kultusministerium hatte erklärt, das Land arbeite an einer Lösung, damit die Bestattung aller Menschen wieder gleich behandelt werde. Doch diese scheint noch in einiger Ferne zu liegen, denn noch wartet man in Stuttgart auf die Einschätzung des Bundes. „Diese gilt es abzuwarten - wobei der Grundsatz bleibt: Bestattungen aller Menschen in Baden-Württemberg sollten hinsichtlich des Infektionsschutzes wieder gleich behandelt werden“, sagte der Sprecher Fabian Schmidt.

Manuel Dorn, Bestatter des Instituts Arthur Dorn in Esslingen, zeigte sich verwundert über das Vorgehen des Ministeriums. Er freue sich für die Landeskirche, aber die Reaktion des Ministeriums empfinde er als schwach: „Bisher haben wir auf den Friedhöfen nicht unterschieden.“

Dorn fragte noch einmal beim Esslinger Grünflächenamt nach, ob nicht die Möglichkeit bestünde, in Esslingen wieder die Hunderter-Regel für alle einzusetzen. Der Abteilungsleiter Thomas Zink antwortete schnell, aber humorlos: „Auf Anfrage beim Ministerium teilt dieses mit, dass diese Regelung ausschließlich für Trauerfeiern der evangelischen Kirche gilt, da in diesem Fall eine richterliche Entscheidung vorliegt.“ Für sonstige Bestattungen gelte die Bundesregel der Corona-Notbremse „bis auf Weiteres“. Johannes M. Fischer