Deizisau. Mit der Messung auf dem Deizisauer Schuldach hoffe man zur „sachbezogenen Diskussion“ über Flugzeuglärm beitragen zu können, schreibt Flughafendirektor Walter Schoefer an Bürgermeister Thomas Matrohs. Doch dem fällt schwer, die Ergebnisse und insbesondere die Interpretation Schoefers emotionslos hinzunehmen. Das sei doch „Schönrechnerei“, findet Matrohs, wenn im Monat September fast 5 000 Flugbewegungen mit mehr als 60 Dezibel Maximalschallpegel gemessen worden seien, aber dann auf den Mittelwert von 50,8 Dezibel tagsüber und 44,8 Dezibel nachts verwiesen werde. Zusammenreißen muss sich Matrohs, wenn er solche Formulierungen liest: „Wenn es in der Umgebung ruhig ist, sind in Deizisau Überfluggeräusche wahrnehmbar.“
„Hören Sie’s? Wahrscheinlich eine 737.“ Die Maschine heult im Landeanflug über der Ortsmitte. Vom Büro des Bürgermeisters kann man sie sehen. Hobbyflieger Matrohs verfolgt den Kurs schon auf seinem Handy. Gerade weil der Deizisauer Schultes selbst fliegt, ist er zu einem unbequemen Kritiker geworden. Mit seinen Aufzeichnungen hat er belegt, dass nach 22.30 Uhr mehr als zwei Drittel der Flugbewegungen im Osten des Airports abgewickelt werden, also auch über Deizisau. Nach seiner Kritik ließ der Flughafen im September seine mobile Messstation aufs Schuldach setzen. Durch die nun vorgelegten Zahlen fühlt sich Matrohs eher bestätigt.
649 nächtliche Flugbewegungen seien doch „Wahnsinn“, schimpft Matrohs und kann dem Durchschnittswert von 44,8 Dezibel nachts wenig abgewinnen. Der Flughafen weist darauf hin, dass Spitzenschallpegel von mehr als 70 Dezibel in Deizisau die Ausnahme seien, ungefähr drei Prozent der Überflüge. Die überwiegende Zahl verursache Maximalpegel zwischen 60 und 70 Dezibel. Ein Omnibus produziere im Vorbeifahren am Straßenrand 85 und ein schwerer Lastwagen Spitzen von 90 Dezibel. Die vom Flughafenchef bereitgestellten Vergleichswerte besänftigten den Deizisauer Bürgermeister nicht. Was den schon immer stark gestört hat, sind die vier späten Postmaschinen, die zwischen 23.55 und 2 Uhr starten - und zwar fast ausnahmslos im Osten - und damit Deizisauer Bürger wecken. Das bestätigt die Geschäftsführung des Flughafens: 95 Prozent der Nachluftpost werde in östliche Richtung abgewickelt.
Die Begründung des Flughafens, warum die Verteilung so ungleich ist, mag der Bürgermeister nicht ohne Weiteres akzeptieren. Bei einer Maschine, die über den Westen abhebe, seien „mehr Einwohner betroffen“ als bei einem Start in östliche Richtung, heißt es im Brief Schoefers. Außerdem sei die durchschnittliche Überflughöhe auf dem Westkurs „deutlich geringer“. Den Anteil von 95 Prozent der Postflieger bewertet Matrohs als „unfaire Verteilung“. Im Westen wohnten ja nicht 20-mal so viel Menschen wie im Osten. Er fände es deshalb „schön, wenn die Deizisauer jede dritte Nacht verschont würden“. Das Argument der Betroffenheitszahlen, das der Flughafen selbst anführe, spräche eher für eine andere Verteilung.
Klar, dass er jetzt in Sachen Fluglärm keine Ruhe geben, sondern die Geschäftsführung an diesem Argument „festnageln“ will. Zunächst wird der Brief Schoefers im Gemeinderat behandelt, um dann eine offizielle Stellungnahme abzugeben. Um die Erfolgsaussichten Deizisaus zu erhöhen, will er das Thema auch auf der Ebene des Verwaltungsverbandes mit den Altbachern und Plochingern erörtern. „Gemeinsam können wir vielleicht mehr Druck ausüben“, meint Matrohs.
Als Hobby-Flieger interessiert sich der Bürgermeister auch für die technische Seite. Er vermutet, dass mit modernen Instrumenten die Maschinen beim Start den Flugkorridor früher verlassen könnten, „um so wenig wie möglich bewohntes Gebiet zu überfliegen“. Damit könnte die Belästigung durch Nachtflüge reduziert werden, glaubt Matrohs. Roland Kurz