Zwischen Neckar und Alb

Dem Ex-Kämmerer droht Gefängnis

Gericht Über Jahre hinweg soll sich der Rathausmitarbeiter in Lichtenwald persönlich bereichert haben. Veruntreuung, gefälschte Unterschriften, fingierte Rechnungen: Bald wird ihm der Prozess gemacht. Von Harald Flößer

Hinter diesen Mauern, im Lichtenwalder Rathaus, soll der frühere Kämmerer rund 320¿000 Euro veruntreut haben.Foto: Roberto Bulgr
Hinter diesen Mauern, im Lichtenwalder Rathaus, soll der frühere Kämmerer rund 320¿000 Euro veruntreut haben.Foto: Roberto Bulgrin

Ein Finanzskandal ungeheuerlichen Ausmaßes hat die Gemeinde Lichtenwald voriges Jahr erschüttert. Der langjährige Kämmerer soll über Jahre hinweg 321 469 Euro aus der Gemeindekasse und darüber hi­naus Gelder des örtlichen Krankenpflegevereins in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Gegenüber der Gemeinde hatte der 62-Jährige später mit einem notariellen Schuldanerkenntnis sein Fehlverhalten eingeräumt. Ein Teil seiner Delikte ist bereits verjährt. In einem Disziplinarverfahren wurden dem suspendierten Beamten sämtliche Pensionsansprüche aberkannt.

Gut ein Jahr, nachdem Bürgermeister Ferdinand Rentschler den Fall aufgedeckt hat, folgt nun die strafrechtliche Aufarbeitung. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat nach umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen den Ex-Kämmerer erhoben. Das bestätigte deren Sprecher Heiner Römhild. Der Vorwurf: Untreue in einem besonders schweren Fall. Dieser Zusatz in der Anklage kann schwerwiegende Folgen für den Ex-Kämmerer haben: Bei einer Verurteilung droht ihm möglicherweise eine Haftstrafe.

Er habe seine Stellung an verantwortlicher Position in der Gemeindeverwaltung missbraucht, um sich persönlich zu bereichern, begründet der Erste Staatsanwalt Römhild die Schwere der Anklage. 37 Jahre, beinahe sein ganzes Berufsleben, war er im Dienste der Gemeinde. Zweimal hatte er sich in Lichtenwald auch um das Bürgermeisteramt beworben, jedoch ohne Erfolg. Unterm Strich sei ein Schaden von mehr als 200 000 Euro entstanden, so Römhild. Bei „einfacher“ Untreue sieht das Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren vor. Wird vom Gericht ein besonders schwerer Fall erkannt, wird eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren fällig.

Bürgermeister stößt auf Abgründe

Die betrügerischen Machenschaften waren aufgeflogen, nachdem eine Bankmitarbeiterin über eine ungewöhnliche Bankbewegung beim Lichtenwalder Krankenpflegeverein, dessen Kasse der Kämmerer ebenfalls verwaltete, gestolpert war. Bürgermeister Rentsch­ler wälzte daraufhin die Akten und stieß dabei, wie er sagte, auf Abgründe. Von Sonderkonten für die Finanzierung von Baugebieten hatte der Kämmerer über Jahre große Summen für sich abgezweigt. Nach den Recherchen des Rathauschefs operierte er mit fingierten Rechnungen und Kaufverträgen, gefälschten Stempeln des Planungsbüros der Gemeinde und teilweise sogar mit gefälschten Unterschriften des Bürgermeisters.

Um die Sache aufzuklären, beauftragte das Regierungspräsidium Stuttgart die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg, „alle finanzrelevanten Vorgänge im Beschäftigungs- und Vergabewesen der Gemeinde“ zu untersuchen. In ihrem Prüfbericht bescheinigte diese der Gemeinde ordnungsgemäßes Handeln. Über die von Rentschler entdeckten Unregelmäßigkeiten hinaus stellte die Prüfanstalt keine weiteren Verfehlungen oder fehlenden Gelder auf Gemeinde- oder Baugebietskonten fest.

Nach den Ermittlungen von Bürgermeister Rentschler hat sich sein ehemaliger Kämmerer aus der Gemeindekasse um 321 469 Euro bereichert. Ein Teil der Vergehen liegt mehr als zehn Jahre zurück und ist damit strafrechtlich verjährt. Deswegen beschränkt sich die Summe, die der frühere Beamte an die Gemeinde zurückbezahlen muss, auf 244 909 Euro. Die Kommune hat Glück: Über eine sogenannte Vertrauensschadensversicherung konnte mit 200 000 Euro mehr als die Hälfte des Schadens beglichen werden. Außerdem ließen sich über die beteiligten Banken von den veruntreuten Geldern 56 000 Euro zurückbuchen. Dennoch ist es ein herber Verlust für die finanzschwache Gemeinde. Den Krankenpflegeverein hat es schlimmer erwischt. Ihm entstand, wie Rentschler im Gemeinderat berichtete, ein Schaden von rund 100 000 Euro. Der Verein habe sein gesamtes Vermögen verloren und stehe nun „mit abgesägten Hosen“ da.

Verhandelt wird der Fall vor dem Amtsgericht Esslingen. Ein Termin steht noch nicht fest.