Zwischen Neckar und Alb

Dem Zeugen zur Seite stehen

Ehrenamtliche Begleiter betreuen Menschen im Vorfeld und während einer Gerichtsverhandlung

Als Zeuge zu einem Gerichtsverfahren geladen zu sein – für viele Menschen ist das eine aufregende Sache. Damit es Zeugen leichter haben, sich vor Gericht zurechtzufinden, gibt es Zeugenbegleiter. Sie arbeiten oft ehrenamtlich. Wie die Köngenerin Gerlinde Maier-Lamparter.

Die Köngenerin Gerlinde Maier-Lamparter - hier am Stuttgarter Landgericht - nimmt Zeugen die Angst vor der Gerichtsverhandlung.F
Die Köngenerin Gerlinde Maier-Lamparter - hier am Stuttgarter Landgericht - nimmt Zeugen die Angst vor der Gerichtsverhandlung.Foto: sg

Köngen. Im Stuttgarter Landgericht gibt es recht spektakuläre Gerichtsverfahren. Auch das jüngste Verfahren, bei dem Gerlinde Maier-Lamparter einen Zeugen unterstützte, war beeindruckend. Vor dem Verhandlungssaal war eine Sicherheitsschleuse aufgebaut, durch die die Zuschauer und Zeugen gehen mussten. Taschen mussten abgegeben werden. „Ich habe mich mit dem Zeugen deswegen ein wenig früher getroffen. Wir sind gemeinsam zum Landgericht gelaufen und ich habe ihn schon ein wenig über den Ablauf des Verfahrens informiert“, erzählt Maier-Lamparter.

Das Verfahren fand in Saal 1 statt, dem größten Verhandlungssaal des Landgerichts. Der Zeuge war beeindruckt, als er einen Blick hineinwarf, und bat die Köngener Zeugenbegleiterin, neben ihm Platz zu nehmen, während er seine Aussage machte. „Da war ich dann etwas überrascht, denn der Zeuge war ein großer Kerl. Aber er fühlte sich sicherer mit einer Person an seiner Seite, die sich im Prozessgeschehen auskennt.“

Den Ablauf des Verfahrens zu kennen, ist für Zeugen eine wichtige Hilfe. Wie läuft eine Vernehmung ab? Welche Aufgaben haben die Personen, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt sind? Wo sitzt der Zeuge? Was wird von Zeugen erwartet? Gefragt wurde Maier-Lamparter auch schon, was man tun solle, wenn man Angst hat. „Für nervöse Zeugen gibt es Knautschbälle, die helfen, Stress abzubauen“, erklärt sie. Aber auch simple Fragen wie die, in welcher Kleidung man zum Gerichtstermin kommen soll, müssen manchmal geklärt werden.

Die Köngenerin übernimmt diese Aufgabe ehrenamtlich für den Verein Bewährungshilfe und die gemeinnützige Gesellschaft Präventsozial aus Stuttgart, die sich der Betreuung Straffälliger, aber eben auch der Zeugen in Gerichtsverfahren annimmt. Der Verein hat sie auf diese Aufgabe gründlich vorbereitet: mit einem Einführungslehrgang, der 30 Stunden umfasste. Neben der theoretischen Schulung besuchte sie Gerichtsverfahren, lernte den Umgang mit Zeugen, erhielt sogar einige Kenntnisse im Umgang mit Traumatisierten.

Gerichtsverhandlungen kennen viele Menschen eher von Gerichtsshows im Privatfernsehen oder aus amerikanischen Krimis, weiß Christian Veith, hauptamtlicher Mitarbeiter bei Präventsozial. „Einmal hat mich ein Zeuge gefragt, ob er den Richter mit ,Euer Ehren‘ ansprechen soll“, gibt er ein Beispiel, bei dem er heute noch ein wenig schmunzeln muss. Die Vorteile der Zeugenbegleitung liegen für ihn auf der Hand: Durch die Vorbereitung auf das Verfahren stehen den Richtern, Staatsanwälten und Verteidigern stabile Zeugen zur Verfügung.

Dabei seien die Zeugenbegleiter jedoch keine Verfahrensbeteiligten. Über den Inhalt der Aussage werde mit den Zeugen nicht gesprochen. Auch juristische Beratung ist tabu. Allerdings wissen Zeugenbegleiter, welcher Tatbestand angeklagt ist, und sie kennen auch das Verhältnis des Zeugen zum Angeklagten.

Doch wie erfahren Zeugen überhaupt von dem Angebot der Zeugenbegleitung? „Viele Zeugen rufen, wenn sie ihre Ladung erhalten haben, bei der Geschäftsstelle des jeweiligen Gerichts an. Die Mitarbeiter dort vermitteln dann öfter an uns weiter“, erklärt Veith. Manchmal werde aber auch schon im Ladungsschreiben auf die Möglichkeit der Zeugenbegleitung hingewiesen, oder Beratungsstellen für Missbrauchsopfer schalten Präventsozial ein. Der Service ist übrigens für die Zeugen kostenfrei. Die Zeugenbegleitung wird über Spenden und die Zuweisung von Bußgeldern aus Gerichtsverfahren finanziert.

Von den 200 Verfahren, die Prä­ventsozial im vergangenen Jahr betreut hat, wurden zwei Drittel von den ehrenamtlichen Zeugenbegleitern betreut. Vertreten seien alle Alters- und Berufsgruppen. Allerdings seien die Frauen in der Überzahl, erläutert Christian Veith.

Gerlinde Maier-Lamparter ist gerne Zeugenbegleiterin: „Jeder Fall ist etwas Besonderes. Und einem Zeugen geholfen zu haben, ist ein gutes Gefühl.“