Zwischen Neckar und Alb

Den Schmerz ausknipsen

Technik Spezialisten der Medius- Kliniken wenden jetzt eine neue Methode an: Ein „Schmerzschrittmacher“ hilft Patienten, jahrelangen Schmerz zu lindern. Von Roland Kurz

Torsten Schröder ist zufrieden, wenn die Schmerzskala nur noch Stufe drei oder vier anzeigt.Foto: Bulgrin
Torsten Schröder ist zufrieden, wenn die Schmerzskala nur noch Stufe drei oder vier anzeigt.Foto: Bulgrin

Für manche Patienten sind wir die letzte Chance“, sagt Sebastian Krupp, Klinikleiter in Ruit. Diese Menschen sind austherapiert, oft schon operiert, Medikamente helfen nicht mehr, sie wissen nicht wohin. Anhand solcher Leidensgeschichten haben die Spezialisten an den Kliniken in Ruit und Nürtingen ihr interdisziplinäres Therapiekonzept aufgebaut. „Ein kompliziertes Konzept für komplizierte Patienten“, nennt es Professor Torsten Schröder, Chefarzt für Anästhesie und operative Intensivmedizin. Erste Anlaufstation ist die Schmerzambulanz in Nürtingen. „Wir prüfen zunächst, ob wir mit anderen Medikamenten den Schmerz in den Griff bekommen“, erklärt Oberarzt Klaus Kohlhammer. Bleiben die Schmerzen, durchläuft der Patient im Nürtinger Zentrum stationär einen mehrstufigen Behandlungspfad. Einen besonderen Fokus richtet man auf Patienten mit Handschmerzen, weil diese Alltagstätigkeiten und Lebensgefühl besonders stark beeinträchtigen.

Nürtingen hat seit Jahren in der Hand- und Plastischen Chirurgie einen guten Ruf. Die Experten beziehen Physiotherapeuten und Psychologen in ihre Behandlung ein. „Denn die Seele spielt bei chronischen Schmerzen oft eine entscheidende Rolle“, weiß Kohlhammer. Wenigstens 14 Tage probiert sein Team, ob die spezielle Physiotherapie plus Psychotherapie plus neue Medikamente den Schmerz lindern. Tritt keine Besserung ein, ist auch eine weitere Operation nicht Erfolg versprechend, dann sind die Ruiter Spezialisten gefragt.

Sie arbeiten seit zwei Jahren mit der Neuromodulation. Hochfrequenter Strom soll bei dieser Methode den Schmerz in ein angenehmes Kribbeln umwandeln. Bei Patienten mit Knieschmerzen verzeichnen die Ruiter Ärzte eine fast hundertprozentige Beseitigung der Schmerzen. Insgesamt sprechen etwa zwei Drittel der Patienten auf die Neuromodulation an. Absolute Schmerzfreiheit sei nicht das Ziel, sondern die Reduktion.

Wenn ein Patient auf der elfstufigen Skala - Gesichtsausdrücke von schmerzverzerrt bis lächelnd - mit dem Finger auf Stufe drei oder vier zeigt, dann sind die Ärzte zufrieden. „Es ist schön, zu sehen, wie viel Lebensqualität der Patient gewonnen hat“, meint Kiehlmann, wenn er wieder einkaufen und wandern kann. Sind die Schmerzen weg, kann auf Dauermedikamente verzichtet werden, die zum Teil erhebliche Nebenwirkungen in sich bergen.

Bundesweit wird die Neuromodulation in etwa 50 meist größeren Kliniken angeboten, in der Region sind es die Universitätsklinik Tübingen und - in abgewandelter Form - das Stuttgarter Katharinenhospital. Die Nachfrage ist riesig. Chefarzt Schröder: „Wir werden überrannt von verzweifelten Patienten.“ Er kann sich gar nicht mehr vorstellen, auf die neue Therapie zu verzichten.

Die Implantation

Die Sonde Der Arzt führt beim Lendenwirbel eine Sonde ein. Diese wird in der Nähe des Rückenmarks dorthin geschoben, wo der Schmerz seinen Ausgangspunkt hat. Am Ende sitzen Elektroden, die Strom aussenden. Dieser reduziert den Schmerzimpuls. Wenn die Sonde richtig liegt, schwindet der Schmerz.

Testphase Die Sonde bleibt probeweise zunächst etwa zehn Tage an Ort und Stelle. Bleibt der Schmerz dann weg, wird die bislang von außen gesteuerte Sonde abgeschnitten. Sie verschwindet komplett unter der Haut, kann aber weiterhin bei Bedarf jederzeit wieder von außen angestöpselt werden.

Implantation Als Dauerlösung wird der Impulsgenerator, der auch „Schmerzschrittmacher“ genannt wird, in Lendenhöhe ­implantiert.

Aufladen Nach drei bis sieben Tage muss der Schmerzschrittmacher induktiv, also über die Haut, aufgeladen ­werden. rok