Zwischen Neckar und Alb
Denkfabrik und Motor für Innovationen

Forschung Götz T. Gresser ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf, die 100-jähriges Bestehen feiern. Von Harald Flößer

Aus dem Körschtal sind schon viele bahnbrechende Erfindungen auf den Markt gekommen. Flammgeschützte Polyamidfasern, Carbonfasern aus nachwachsenden Rohstoffen, neue Spinnverfahren, innovative 3-D-Webstrukturen, textile Implantate, Lampen aus Papiergarnen - nur eine kleine Auswahl aktueller Entwicklungen aus einer Denkfabrik mit ­großem Namen und langer Geschichte. Seit 100 Jahren gibt es die in Denkendorf ansässigen Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF). Ein Anlass, um zurückzublicken auf die Anfänge der Einrichtung.

Götz T. Gresser richtet seine Aufmerksamkeit aber lieber nach vorne. „Die Zukunft ist textil“, sagt der Universitätsprofessor und promovierte Maschinenbauingenieur, der im Augenblick den Vorsitz im Vorstand der DITF innehat. In diesem Feld stecke „extrem viel Potenzial“. Mit einer „klaren Ausrichtung auf neue Schlüsseltechnologien und Zukunftsfelder“ führt er zusammen mit seinen Vorstandskollegen Michael R. Buchmeiser und Peter Steiger Europas größte Textilforschungseinrichtung.

Für Gresser sind die DITF „eine Perle der Textilforschung“. Mehr noch: „Wir sind heute Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft“, sagt der 57-Jährige, der vor seiner Zeit in Denkendorf 16 Jahre lang bei einem Maschinenbauunternehmen in der Schweiz tätig war. Neben seinem Vorstandsposten hat er an der Universität Stuttgart einen Lehrstuhl für Textiltechnik, faserbasierte Werkstoffe und Textilmaschinenbau.

Eine zum runden Jubiläum herausgegebene Festschrift zeichnet Schritt für Schritt die Geschichte der DITF nach. Gründungsgedanke war im Jahr 1921 die Unterstützung der Industrie durch unabhängige Forschungsarbeit. Eine Aufgabe, die Götz T. Gresser vorbildlich erfüllt sieht. Mit zahlreichen Produktinnovationen und Erfolgen habe man sich rasch zum wichtigen Impulsgeber für die Textil­industrie entwickelt.

Die Besonderheit von Denkendorf sei nicht nur die Größe. „Mit mehr als 250 wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern decken die DITF als einzige Textilforschungseinrichtung die gesamte Wertschöpfungskette von Textilien ab - vom Molekül bis zum Endprodukt.“ In den übergreifenden Forschungsbereichen Textilchemie, Textil- und Verfahrenstechnik und Management Research arbeite man an textilen Zukunftsthemen.

Riesiger Innovationstransfer

Mit der anwendungsorientierten Forschung leiste man einen erheblichen Beitrag, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wirtschaft zu sichern. Die DITF sind Partner zahlreicher Unternehmen im In- und Ausland. Diese beteiligen sich entweder an öffentlichen Forschungsvorhaben oder erteilen direkte Aufträge. Zu 70 Prozent seien das kleine und mittelständische Firmen mit bis zu 500 Beschäftigten, erklärt Gresser. „Wir erreichen jedes Jahr etwa 1000 Unternehmen.“ Allein diese Zahl mache deutlich, welch riesiger Innovationstransfer da ausgelöst werde.

Etwa die Hälfte der Partner und Auftraggeber seien Textil- und Maschinenbauunternehmen. Die andere Hälfte stamme aus eigentlich fachfremden Bereichen, bei denen technische Textilien eine immer wichtigere Rolle spielen. „Fasern und Textilien werden heute als Hochleistungswerkstoffe konzipiert und gezielt für Schlüsseltechnologien in Architektur, Maschinenbau, Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt, Medizin oder Umwelttechnik entwickelt“, erklärt Götz T. Gresser. Jedes Jahr kommen seinen Angaben zufolge zehn bis 15 Produkte auf den Markt, in denen Innovationen aus Denkendorf stecken. Eine Besonderheit des Standorts ist, dass dort auch eine eigene Produktionsgesellschaft angesiedelt ist. 44 Beschäftigte stellen in Reinräumen medizinische Produkte wie Wundauflagen, Stents oder chirurgische Nähfäden her.

Wirtschaftsministerin ­Nicole Hoffmeister-Kraut sieht die DITF „hervorragend für die Zukunft aufgestellt“. Als älteste Forschungseinrichtung der Innovationsallianz Baden-Württemberg tragen sie nach ihren Worten maßgeblich dazu bei, dass das Land seine Spitzenposition als europäische Technologieregion ausbauen könne.