Zwischen Neckar und Alb

Der Angreifer stand unter Drogen

Ermittlungen nach tödlichen Schüssen der Polizei dauern an – Polizei beruft sich auf Notwehr

In Bernhausen wurde ein 29-Jähriger von Polizisten erschossen.Foto: 7aktuell/Eyb
In Bernhausen wurde ein 29-Jähriger von Polizisten erschossen.Foto: 7aktuell/Eyb

Am Sonntag starb in Bernhausen ein 29-Jähriger durch zwei Kugeln, die aus einer Polizeipistole abgeben wurden. Zuvor soll der Mann, der unter Drogen stand, Beamte mit einem Messer bedroht haben.

Petra Pauli

Filderstadt. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gestern eine Obduktion beantragt. Da die Ermittlungen Hinweise auf einen der Tat vorangegangenen Drogenkonsum ergeben hatten, soll außerdem eine toxikologische Untersuchung klären, ob der Mann unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder anderen Substanzen stand, hieß es gestern in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Polizeipräsidiums Reutlingen. Nach derzeitigen Ermittlungen war es vor dem Angriff auf den Polizeibeamten zu Streitigkeiten in der Familie gekommen. Der 29-Jährige lebte noch bei seinen Eltern.

Wie berichtet, hatten am Sonntag um 14.40 Uhr Zeugen die Polizei alarmiert, die den Mann mit einem Samurai-Schwert bewaffnet in der Talstraße im Freien vorfanden. Die Beamten forderten den 29-Jährigen, der sich offenbar in einem psychischen Ausnahmezustand befand, mehrfach auf, die Waffe wegzulegen. Schließlich legte er zwar die Samurai-Schwert auf den Boden, zog dann aber ein Messer mit einer Klinge von mindestens 15 Zentimetern. Der mehrmaligen Aufforderung, auch das Messer wegzulegen, sei er aber nicht nachgekommen, wie es in der Mitteilung der Polizei heißt.

Im Laufe des Einsatzes sei Pfefferspray eingesetzt und auch der Gebrauch von Schusswaffen angedroht worden, was aber keine Wirkung gezeigt habe, so die Polizei. Als der Mann plötzlich mit dem Messer in der erhobenen Hand zielstrebig auf einen Polizeibeamten zuging, habe der Beamte zwei Schüsse aus seiner Dienstwaffe auf den Angreifer abgegeben, „weil sich die Situation in diesem Moment für ihn als lebensbedrohlich darstellte“, wie es in der Pressemitteilung heißt.

Der 29-jährige Deutsche, der polizeilich noch nicht aufgefallen war, wurde im Brustbereich getroffen. Trotz Reanimationsmaßnahmen starb er noch vor Ort. Bei dem Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgegeben hat, handelt es sich laut Polizei-Pressesprecherin Andrea Kopp um einen erfahrenen Polizisten. Wie immer, wenn bei einem Einsatz Schusswaffen gebraucht wurden, werde auch in diesem Fall die Staatsanwaltschaft die Rechtmäßigkeit überprüfen. Die Ermittlungen dauerten an.

Wäre ein Schuss auf die Beine oder Arme nicht eine Alternative gewesen? Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Ralf Kusterer, nimmt seinen Kollegen in Schutz: „Ich habe mich mit verschiedenen Einsatztrainern unterhalten. Alle sind hier der Auffassung, dass der Wirkungsschuss in diesem Fall das einzige Mittel war, um sein eigenes Leben zu retten.“

Laut Polizeisprecherin Kopp stand der Angreifer in unmittelbarer Nähe des späteren Schützen: „Es waren nur sehr wenige Meter.“ Der Polizist habe also damit rechnen müssen, dass der 29-Jährige ihm jederzeit das Messer in die Brust rammt, so Kusterer. „Das hätte er vermutlich auch noch versucht, wenn nur Arme oder Beine getroffen worden wären. Der Polizist hatte keine andere Chance.“

Welches Mittel ist angemessen und geeignet? Diese Entscheidung müssten Beamte in einem Bruchteil von Sekunden, dazu noch in einer Extremsituation treffen. „Jeder Polizist hofft, dass er in seiner Dienstzeit nie eine Waffe einsetzen muss“, betonte Kusterer. Auf Menschen schießen zu müssen, sei eine schreckliche Situation für alle Polizisten und ihre Familien. „Hinterher ist nichts mehr, wie es mal war“, weiß Kusterer von Kollegen, „viele sind traumatisiert, selbst in Fällen, die nicht tödlich endeten.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) setzt sich deshalb dafür ein, dass Polizisten mit Elektro-Distanz-Impulsgeräten ausgestattet werden. Diese handlichen Geräte schießen zwei kleine Pfeile ab. Über Drähte erleidet der Angeschossene einen Stromschlag und wird handlungsunfähig. Kusterer sieht in diesen Geräten eine Ergänzung unterhalb der Dienstpistole.

Dieses Gerät sei auch bei psychisch Verwirrten, Betrunkenen oder Menschen unter Drogeneinfluss wirksam, die auf Schlagstöcke oder Pfefferspray nicht mehr reagierten.