Zwischen Neckar und Alb

Der Bedarf an Schulbegleitung wächst rasant

Inklusion Immer mehr Schüler mit Behinderung erhalten Unterstützung. Den Landkreis Esslingen kostet dies fast sechs Millionen Euro im Jahr. Von Roland Kurz

Die Schülerin Tamina, ein Kind mit Downsyndrom, wird im Unterricht von Jessica Spangenberg unterstützt.Foto: dpa
Die Schülerin Tamina, ein Kind mit Downsyndrom, wird im Unterricht von Jessica Spangenberg unterstützt.Foto: dpa

Ein großer Befürworter der schulischen Inklusion war Landrat Heinz Eininger noch nie. Er ist überzeugt, dass Kinder mit Behinderungen an den Sonderpädagogischen Zentren des Landkreises besser versorgt sind. Er bereut deshalb nicht, dass die Esslinger Rohräckerschule für mehr als 50 Millionen Euro saniert wird. Doch die Eltern haben seit 2015 die freie Wahl. Schicken sie ihre Kinder auf eine allgemeine Schule, können diese von Schulbegleitern unterstützt werden. Dieses Hilfesystem mache ihm große Sorgen, sagte der Landrat im Sozialausschuss des Kreistags. Hatte die Schulbegleitung den Landkreis Esslingen 2014 noch 1,1 Millionen Euro gekostet, waren es voriges Jahr 5,2 Millionen, und dieses Jahr wird es in Richtung sechs Millionen Euro gehen.

Dem Landrat gefällt das aus zwei Gründen nicht. Zum einen hinkt das Land mit der Erstattung hinterher. 2018 hat es eine knappe Million Euro bezahlt - bei 5,7 Millionen Gesamtkosten. Zum anderen wird die Schulbegleitung immer öfter von den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) selbst angefordert. Eigentlich sei die Schulbegleitung komplett Sache des Landes, meint Heinz Eininger. Aber der Kreis sei gegenüber den Eltern verpflichtet, sie zu zahlen. „Wenn sich der Landkreis wehrt, verliert er den Prozess.“

Spannungsverhältnis

Der Landrat sieht das System in eine „Schieflage“ geraten. Der Kreis statte seine Sonderpädagogischen Zentren aus und gewähre auch noch Schulbegleitung, obwohl es dort Sozialpädagogen gebe. Von den 279 Schulbegleitungen, die 2018 gewährt wurden, seien etwa 80 für Schüler an den SBBZ eingesetzt. Dafür zahlt das Land überhaupt nichts.

Allgemein sieht Landrat Eininger die Schulen gefordert, „dafür Sorge zu tragen, dass alle Schüler, unabhängig von ihren Fähigkeiten, am Unterricht teilnehmen können“. Die Eingliederungs- und Jugendhilfe des Landkreises werde aufgrund des Rechtsanspruchs als „Ausfallbürge“ des Schulsystems tätig.

In der Vorlage an die Kreisräte wird die Beziehung zu den Schulen als „Spannungsverhältnis“ beschrieben. Eine Abgrenzung zwischen der Schulbegleitung und pädagogischen Aufgaben sei „hochkomplex und nicht immer eindeutig und zweifelsfrei zu leisten“.

Nach Ansicht Einingers hat das Land mit dem neuen Schulgesetz nicht erreicht, was es wollte: „Inklusion ist in weiten Teilen Illusion geblieben.“ Einige Eltern würden ihre Kinder wieder an die SBBZ zurückschicken, weil dort Lehrerversorgung und Rahmenbedingungen besser seien.

Wer sind die Helfer?

Die Schulbegleiter sind zum Teil Sozialarbeiter, Erzieher oder andere pädagogische Fachkräfte, zum überwiegenden Teil jedoch Nichtfachkräfte mit Erfahrung oder FSJ-Kräfte (Freiwilliges Soziales Jahr). Sie unterstützen etwa beim Gang auf die Toilette oder beim Sportunterricht.

Mit einem Trägerverbund (Lebenshilfe, Kreisjugendring, Stiftung Tragwerk, Stiftung Jugendhilfe und Behindertenförderung Linsenhofen) hat der Landkreis einen Vertrag abgeschlossen. Einsatzplanung und Kommunikation mit Eltern und Schule sind Sache dieser Leistungserbringer. rok