Zwischen Neckar und Alb
Der kurze Weg vom Paradies ins Regal

Vermarktung 15 Supermärkte verkaufen Äpfel des Schwäbischen Streuobstparadieses. Alte Sorten sind bei den Kunden gefragt. Für die Stückles-Bewirtschafter lohnt sich das Pflücken. Von Thomas Schorradt

Wie bringe ich die Menschen, die im Paradies leben, dazu, auch nach dem Apfel zu greifen? Besser noch in der Mehrzahl: zu den Äpfeln. Das ist die Frage, mit der sich der Verein Schwäbisches Streuobstparadies derzeit vorrangig beschäftigt. Eine erste Antwort scheint der Zusammenschluss von 300 Akteuren, dessen Einzugsbereich sechs Landkreis umfasst, offensichtlich gefunden zu haben. 38 Stückles-Bewirtschafter, die sich auf den Erhalt alter Apfelsorten spezialisiert haben, bringen seit diesem Sommer ihre Schätze in die Regale von bisher 15 teilnehmenden Supermärkten. „Wir haben den Nerv der Zeit getroffen und sind fulminant durchgestartet“, sagt Maria Schropp, die Geschäftsführerin des Vereins, in einer ersten Bilanz.

Das Schwäbische Streuobstparadies hat unter seinem Dach die Landkreise, Städte und Gemeinden, aber auch Naturschutzvereine, Bewirtschafter, Mostereien und Vermarkter versammelt, um eben dieses von Menschenhand geschaffene Paradies vor der eigenen Haustüre zu erhalten: das mit rund 1,5 Millionen Obstbäumen und einer Ausdehnung von rund 26 000 Hektar größte zusammenhängende Streuobstgebiet in Europa. Das Kulturgebiet, das sich in einem Gürtel entlang der Schwäbischen Alb zieht, gilt mit rund 5000 verschiedenen Tier- und Pflanzenarten als ein Biotop, das weit und breit seinesgleichen sucht. Unter Fachleuten macht das Wort vom „Schwäbischen Amazonas“ die Runde - in Anspielung auf den Artenreichtum hier wie da.

Einen Eindruck von der Vielfalt haben in diesem Sommer erstmals auch die Kunden der Supermärkte in der Region Stuttgart erhalten - bisher vor allem im Zollernalbkreis und im Landkreis Böblingen, wo zehn der 15 Verkaufsstellen sind. Im Kreis Esslingen ist bisher lediglich der Edeka-Markt Gebauer mit seiner Filiale in Filderstadt-Bonlanden mit im Boot. „Die Äpfel werden gekauft. Wir haben 15 Zentner Tafelobst an den Mann und an die Frau gebracht“, sagt Maria Schropp. Die Nachfrage nach Goldparmäne, Jakob Fischer, Gewürzluike, Brettacher und Freiherr von Berlepsch ist dabei größer als das Angebot. „Die Märkte haben Nachschub geordert. Wir sind dabei, noch mehr Bewirtschafter zu rekrutieren“, sagt Lena Schlotterbeck, die das Projekt im Auftrag des Vereins leitet. Die Weichen waren im Frühjahr eigentlich schon gestellt, da hat die Natur der Kalkulation einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Wir haben viele Ausfälle durch den Hagel gehabt“, sagt Maria Schropp. So sei die Ernte im Neuffener Tal, aber auch auf den Obstwiesen im Esslinger Norden zu rund 80 Prozent verhagelt gewesen.

Wer seine Bäume abseits der Hagelschneise stehen hatte, für den hat sich die größere Sorgfalt und der höhere Aufwand beim Pflücken des Tafelobstes in barer Münze ausgezahlt. „Die Bewirtschafter erhalten an unseren vier zentralen Annahmestellen einen fairen Preis von einem Euro pro Kilo. Das ist das 15-fache des Most- obstpreises“, sagt Schropp. Hans Frech, einer der Bewirtschafter, hat ausgerechnet, dass er beim Pflücken auf einen Stundenlohn von 20 Euro kommt.

Die Märkte präsentieren die Streuobstschätze auf einer Sonderverkaufsfläche und punkten so beim Kunden mit ihrem regionalen Angebot. Ein Verkaufsargument sind auch die kurzen Wege vom Obstbaum zum Verbraucher. Jochen Heinz, der stellvertretende Landrat des Landkreises Göppingen, der wie der Kreis Esslingen in der Arche Noah der Artenschützer sitzt, hat den Eindruck, dass junge Leute wieder verstärkt Interesse an der Natur und an regionalen Produkten haben. Diese Einschätzung bestätigt Christel Schäfer, Vorsitzende des Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine Esslingen. Trotzdem gießt sie etwas Wasser in den Most. Die Erwartungshaltung junger Familien sei groß. „Es gibt ein gesteigertes Interesse und auch bei uns mehr Anfragen. Allerdings sollte es für die Leute schon ein leicht erreichbares Stückle sein, mit Zaun drumherum, mit Stromanschluss, fließend warmem Wasser und einem kleinen Häusle drauf“, sagt sie.