Zwischen Neckar und Alb

Der Mörder bleibt beim Schmorbraten unerkannt

Spieletipp Ein „Krimi-Dinner“ in den eigenen vier Wänden ist bei guter Vorbereitung und Spielfreude eine durch und durch lustige Sache. Von Irene Strifler

Kochen, Essen, Spielen, Rätseln, Spaß haben. Dies sind die Hauptzutaten eines heimischen Krimi-Dinners. Wer dies richtig zelebri
Kochen, Essen, Spielen, Rätseln, Spaß haben. Dies sind die Hauptzutaten eines heimischen Krimi-Dinners. Wer dies richtig zelebriert, kommt verkleidet zum Termin, das sorgt gleich für eine ganz besondere Stimmung. Foto: Carsten Riedl

Der Tisch ist fein gedeckt, in den Gläsern funkelt ein edler Tropfen, Kerzen, Tischkärtchen und Silberbesteck liegen bereit. Doch die Tischgesellschaft gibt sich gar nicht gediegen, sondern lässt ganz unpassend verbal die Fetzen fliegen: Da bezichtigt man einander des Seitensprungs, unterstellt sich Karrieregeilheit und Drogenmissbrauch, macht einander schlecht nach Strich und Faden und zieht auch noch über Abwesende her . . .

Keine Sorge, hier muss nicht die Polizei gerufen werden: Wir spielen „Krimi-Dinner“ und sind selbst höchstpersönlich auf der Suche nach dem Täter. Im Laufe des Abends soll der Mörder enttarnt werden.

Unser Spiel heißt „Tödlicher Ruhm“ und ist vom Verlag „Culinario Mortale“ - es gibt aber auch andere Anbieter. Das Spiel beginnt schon lange vor dem eigentlichen Abend mit der Frage: Wen laden wir ein? Ein Krimi Dinner für zu Hause ist nämlich eine Art Motto-Party. Der Abend wird umso besser, je mehr die Gäste mitziehen. Und sich einzuarbeiten bereit sind. Denn dieser Abend ist nicht nur Spaß. Alle Eingeladenen erhalten vorab ein individuelles Heft, das ihre Rolle darstellt, alles natürlich unter dem Sigel der Verschwiegenheit. Das Heft muss mitgebracht werden, denn im Laufe des Abends liest man darin ganz nach Fortschritt der Ermittlungen immer weiter.

Bis wir die erste Perforation lösen dürfen, identifizieren wir uns längst mit unseren Rollen. „Tödlicher Ruhm“ spielt am Theater, Opfer ist die attraktive Julia. Verdächtig sind wir alle, die wir hier am Tisch sitzen. Passend zum Ensemble treffen wir schon entsprechend gestylt am Abend ein: Intendant Klaus Herbig kommt im Business-Westchen, der abgehalfterte Schauspieler Patrick Brenner im affigen Rüschenhemd. Kostümbildnerin Martina hat sich gehörig aufgebrezelt, und die junge Schauspielschülerin Irina himmelt pausenlos den Intendanten an. Dass sich jeder ein passendes Outfit überlegt hat, beflügelt uns. Wir schlüpfen in unsere Rollen, geben uns - je nach Rollenanlage - bekifft, verliebt, gehörnt.

Unterdessen genießen wir Aperitif und Antipasti. Denn das Krimi-Dinner lehnt sich an ein dreigängiges Festessen an. Wer sich schwertut mit Kochideen, dem offeriert der Verlag auf der Homepage sogar Menüvorschläge. Wir jedoch verzichten auf das „Markstätter Premierenbuffet“, dessen Schwerpunkt auf Berliner Buletten mit Frischkäse-Dip, Humus und Guacamole liegt. Statt dessen gibt‘s Rinderschmorbraten in Meerrettichsoße mit Schupfnudeln und Apfelrotkraut. Kaum steht der Braten auf dem Tisch, steigen wir in die zweite Runde ein, ausgestattet mit neuen Informationen. Wir kennen uns schon recht gut und genießen das Spiel ganz ohne Bedauern darüber, dass wir uns kaum privat austauschen können. Und das, obwohl wir eigentlich alle sieben keine passionierten Spieler sind. Aber: Dieser Abend macht einfach Laune. Und er offenbart verborgene Talente. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Teilnehmer, bei dem wir fürchteten, er würde das Ganze als Quatsch abtun, seine Glanzrolle findet?

Schließlich kommen wir bei Himbeer-Mas-carpone-Creme und Espresso an. - Zeit, einen ersten Verdacht zu äußern. Wir stoßen nochmals wüste Beschuldigungen aus, die der Spielleiter zu sammeln versucht. Dass er selbst gleichzeitig der Intendant und somit ein Hauptverdächtiger ist, macht ihn nicht gerade objektiv. Aber egal. Wir können uns nicht einigen, verzetteln uns - der Mörder hat uns alle hinters Licht geführt. Unter großem Hallo outet er sich triumphierend. Das Spiel ist aus. Doch für uns geht es noch ein bisschen weiter. Der Abend ist nämlich noch nicht rum. Wir haken die vergangenen zwei Stunden nicht etwa ab, sondern kokettieren immer wieder mit unseren Rollen, necken uns mit der einen oder anderen Äußerung. Wer weiß, vielleicht wird ein jährlicher Dinner-Krimi-Abend zur Tradition.