Zwischen Neckar und Alb

Der Rabbiner Aaron Tänzer war ein glühender Patriot

Historie Persönliche Geschichten und gestohlene Alltagsgegenstände verdeutlichen das Nazi-Grauen.

Von außen und von innen: Das jüdische Museum ist in der ehemaligen evangelischen Dorfkirche untergebracht. Fotos: Markus Brändli
Von außen und von innen: Das jüdische Museum ist in der ehemaligen evangelischen Dorfkirche untergebracht. Fotos: Markus Brändli

Göppingen. Filme lassen die Vergangenheit aufleben, ein Touchscreen lädt zur Interaktion ein: Die modernisierte Ausstellung zur Geschichte der Juden in Jebenhausen und Göppingen in der alten evangelischen Kirche dort entspricht den heutigen Sehgewohnheiten. Die Besucher tauchen in den Alltag der jüdischen Gemeinde Jebenhausens ein mit ihren Sitten und Gebräuchen, die teilweise nach wie vor gelebt werden. Das Signet des Museums, das Schild des jüdischen Gasthauses König David, zieht die Blicke auf sich. Ein Film mit gezeichneten Szenen macht die Anfänge der Gemeinde lebendig.

Nicht alles ist neu: Das Modell Jebenhausens macht augenscheinlich, dass es im 18. Jahrhundert wenig Berührungspunkte zwischen Juden und Christen gab - zwei Siedlungen bestanden nebeneinander. Anders gut ein Jahrhundert später, wie eine interaktive Karte zeigt: Im 19. Jahrhundert wurden Juden zunehmend rechtlich gleichgestellt. Juden und Christen sind nun in Göppingen ganz selbstverständlich Nachbarn. Alt sind auch die Bänke der ehemaligen Synagoge. Denn das Museum wird weiter ein Ort der Begegnung sein mit Veranstaltungen zur Auseinandersetzung mit christlich-jüdischer Geschichte.

Im ersten Stock grüßen lebensgroßen Figuren des Fabrikantenehepaares Rosenthal, Pioniere der Korsettindustrie, des Tenors Heinrich Sontheim, Inge Auerbachers und Dr. Aaron Tänzers. Hier wechselt die Ausstellung die Farbe. Die Zeit der Zerstörung jüdischen Lebens wird auf schwarzen Tafeln mit weißer Schrift dargestellt und an einzelnen Schicksalen lebendig gemacht. Den Umgang der Nazis mit jüdischen Teilnehmern am Ersten Weltkrieg zeigt das Beispiel des Rabbiners Dr. Aaron Tänzer - als glühender Patriot hatte er sich fast ausschließlich in Uniform fotografieren lassen. Dargestellt werden auch Stationen der Entrechtung, Entwürdigung und Ermordung Göppinger Juden. Eine lange Vitrine thematisiert die jeweiligen Begleitumstände. Der Göppinger „Schlacht am Walfischkeller“ ist eine eigene Station gewidmet, aber auch Emilie Eisele, die zwei jüdischen Kindern das Leben rettete. Weiter werden Verantwortliche für die Zerschlagung der jüdischen Gemeinde benannt und gezeigt, dass sie sich kaum verantworten mussten. Bücher, die in den Bestand der Unibibliothek Rostock gekommen waren und den Nachkommen der Besitzer zurückgegeben worden waren, sind Leihgaben, die belegen, dass nicht nur große Kunst, sondern auch Alltagsgegenstände gestohlen wurden.Margit Haas

Jüdisches Museum Göppingen,jüdische Kultur in Jebenhausen, Juden, Judentum,
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Eine der ältesten jüdischen Gemeinden

Anfänge Das Museum in Jebenhausen war bei Eröffnung 1992 eines der ersten Museen in Deutschland, die an jüdisches Leben erinnerten, die Kultur vorstellten, bedeutende Menschen in Erinnerung rief, aber auch die Verbrechen an Juden thematisierte. Seinerzeit wurde dem damaligen Oberbürgermeister Hans Haller eine Idee für die leer stehende alte Jebenhäuser Kirche vorgeschlagen. Stadtarchivar Dr. Rueß erinnert sich: „Wir haben eine kleine Konzeption für ein Museum zu einer der ältesten jüdischen Gemeinden im Südwesten vorgelegt, die er sofort unterstützte.“ Zur Ansiedlung von Juden war es gekommen, nachdem die Ortsherren, die Freiherren von Liebenstein, 1 777 jüdischen Familien erlaubten, sesshaft zu werden. Ihre Handelstätigkeit sollte das Dorf beleben; der Plan ging auf.mh/ist