Zwischen Neckar und Alb

„Der teuerste Geburtstag meines Lebens“

Tourismus Was Menschen aus der Region durch die Pleite des Reise-Konzerns Thomas Cook vor oder während ihrer Reise erlebten, klingt haarsträubend. Teilweise sind mehrere Tausend Euro verloren gegangen. Von Thomas Zapp

Stefanie Grandel und Thomas Jung aus Deizisau zeigen einen Auszug ihrer Extrakosten – vom Stress ganz zu schweigen. Foto: Markus
Stefanie Grandel und Thomas Jung aus Deizisau zeigen einen Auszug ihrer Extrakosten – vom Stress ganz zu schweigen. Foto: Markus Brändli

Es war Montag, der 23. September 2019, als das traditionsreichste Reiseunternehmen der Welt Konkurs anmeldete. Genau an diesem Tag um 10.10 Uhr bestieg Thomas Jung aus Deizisau mit seiner Freundin Stefanie den Flieger nach Thessaloniki. Fünf Stunden nach der Landung bekam er eine E-Mail von seinem Reiseveranstalter, der Thomas Cook-Tochter Air Marin, dass seine Reise storniert war. Da hatte er aber schon im Hotel eingecheckt. „Das Personal war aber sehr gechillt“, erzählt Thomas Jung. Freundlich unterbreiteten sie dem Paar aus Deizisau ein Angebot, 600 Euro für elf Tage zu zahlen. „Das wäre wirklich ein Super-Schnäppchen gewesen, wenn ich nicht vorher schon gezahlt hätte“, erzählt Thomas Jung mittlerweile wieder etwas entspannt. Er blieb hart, und dann kam auch eine Kostenzusage vom Reiseveranstalter so dass man sich im Hotel beruhigte und Jung mit seiner Freundin den Urlaub genießen konnte. Der Schock kam dann am Abflugtag. „You are not in the system“ - „Sie sind nicht im System“, beschied man ihm am Schalter von Eurowings. Die Namen der beiden standen nicht mehr im Computer und der nächste Eurowings-Flug ging in fünf Tagen. Alles Bitten, Drängeln und Betteln half nichts. Mit ihren Koffern zogen die beiden durch den Flughafen, waren insgesamt von 10.30 bis 21.45 Uhr auf dem Flughafen. Schließlich fanden sie an einem unscheinbaren Schalter Hilfe: Dort buchte man ihnen einen Flug für den folgenden Tag nach München - für mehr als 800 Euro. Von dort musste Jung dann noch einen Mietwagen nach Stuttgart nehmen. Immerhin übernahm die Versicherung die Hotelkosten vor Ort. „Ich werde von Eurowings 1800 Euro fordern. Außerdem werde ich sie anzeigen wegen Unterlassung und Nötigung“, sagt er.

Hotel zwei Mal bezahlt

Soweit wie Thomas Jung ist es bei Brigitte Lamparter gar nicht erst gekommen. Zu ihrem 60. Geburtstag hatte die Lenningerin mit ihrem Mann, zwei Söhnen und deren Partnerinnen eine Reise nach New York gebucht, für insgesamt rund 4000 Euro. Das Hotel buchte sie über Neckermann, einer Tochter des Pleite gegangenen Reiseveranstalters Thomas Cook. Den Restbetrag hat sie am 23. September überwiesen - an dem Tag, als der Thomas Cook-Mutterkonzern die Einleitung eines Insolvenzverfahrens in England beantragte. „Ich habe sofort bei der Bank veranlasst, das Geld zurückzuholen, aber das dauerte ein paar Tage.“ Am 25. September meldete die deutsche Thomas Cook Insolvenz an - damit war das Geld weg. Ihr Pech: Sie hatte das Geld überwiesen. „Bei einer Kreditkarte oder Lastschrift hätte ich es wohl zurückholen können.“

Nun versucht sie ihr Glück über die Insolvenzversicherung, hat aber wenig Hoffnung. „Der Ärger ist natürlich groß“, sagt sie. Die Geburtstagsreise findet aber dennoch statt. Brigitte Lamparter hat nochmal gebucht, dasselbe Hotel, derselbe Betrag für den denselben Zeitraum, aber natürlich über einen anderen Anbieter. „Wir haben das Hotel darüber informiert, nicht dass sie uns noch einmal canceln, wenn sie unseren Namen sehen.“ Eins weiß sie schon, bevor sie dann doch zum Big Apple fliegt: „Das ist der teuerste Geburtstag meines Lebens“, sagt sie.

Zwei Wochen Mallorca futsch

Die gebürtige Kirchheimerin Lisa Ottenbacher aus Neckertailfingen wäre zum Zeitpunkt des Gesprächs eigentlich auf Mallorca gewesen. Für 2500 Euro wollte sie mit Mann und zwei Kindern anderthalb Wochen auf Mallorca verbringen. Der Restbetrag ist Anfang September an Neckermann überwiesen worden. Zu spät, um es zurückzuholen. „Wir hätten es auch im Garten anzünden können“, sagt sie. Am 23. September rief sie im Reisebüro an, dort konnte man ihr nichts sagen. Dann kam die Nachricht, dass der Mutterkonzern pleite ist. Man teilte ihr mit, dass ihre Ansprüche jetzt an die Versicherungsgesellschaft geschickt werden. Der Frust sitzt tief. „Unsere Kinder hatten sich mega gefreut auf Meer und Strand“, sagt sie. „Wir haben überlegt, noch mal etwas zu buchen, stattdessen haben wir aber etwas gekauft.“

Türkei-Reise noch mal gebucht

Karin Freier hatte eine Woche vor der Insolvenz die letzte Rate für ihre Türkei-Reise gezahlt. 2500 Euro hat sie für sich, ihren Sohn und ihre Mutter gezahlt und das ganze über „Check24“ gebucht. Der Reiseveranstalter war aber Neckermann. „Ich komme aus der Reisebranche“, sagt sie. Daher ist sie zunächst davon ausgegangen, dass die Sicherungszahlung bei einer Pauschalreise greift. Aber als sie hörte, dass 110 Millionen für alle deutschen Betroffenen zur Verfügung stehen, war ihr klar: Das reicht nicht. „Ich schätze, dass ich vielleicht 30 bis 50 Prozent zurückbekomme, aber frühestens im nächsten Jahr“, sagt die gebürtige Kirchheimerin. Grundsätzlich hat sie eine Lehre daraus gezogen. „Lieber bei kleineren Veranstaltern buchen, die haben ja auch eine Versicherung, müssen bei einer Pleite aber nicht so viele Reisende entschädigen“, sagt sie.

Ein wenig wundert sich Karin Freier auch über die Reaktion der Bundesregierung: „Man fragt sich schon, warum bei der Condor eine Finanzierung zur Rettung des Unternehmens möglich ist und bei Neckermann der Staat nicht einspringt.“ Zwei Tage hat sie gehadert, dann aber erneut eine Reise gebucht. „Ich hatte keine Lust, in den Herbstferien hier zu sitzen“, sagt die Wahl-Kölnerin.