Zwischen Neckar und Alb

Die ersten 50 Meter sind geschafft

Bahntrasse Nach monatelangem Stillstand wächst die Filstalbrücke bei Mühlhausen jetzt in die Horizontale. Das Tragwerk wird Schritt für Schritt übers Tal geschoben. Von Ralf Heisele

Filstalbrücke zwischen Mühlhausen und Wiesensteig, Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, ICE-Trasse, Stuttgart 21, S21
Die Filstalbrücke zwischen Mühlhausen und Wiesensteig. Foto: Markus Sontheimer

Endlich geht es voran: Die Filstalbrücke wächst nun auch in die Horizontale. Die ersten 50 Meter sind ausbetoniert und die freischwebende Vorschubrüstung weiter übers Tal geschoben worden. Von ganz vorne hat man einen atemberaubenden Blick über das 70 Meter tiefer liegende Filstal.

Mehrere Tage musste der Beton für den ersten Abschnitt angefahren werden, zunächst für das u-förmige Unterteil und dann für den sogenannten Deckel. Der Beton härtet nun aus, zeitgleich wird die Verschalung für den zweiten Bauabschnitt an der Vorschubrüstung angebracht. In vier bis sechs Wochen sollen dann die nächsten 50 Meter der Brücke ausbetoniert werden.

Eigentlich sollte das Tragwerk schon fast am knapp 500 Meter entfernten Portal des Steinbühltunnels auf der gegenüberliegenden Talseite angekommen sein. So wurde es bei einem Pressetermin im Februar angekündigt. Doch dann tat sich am markantesten und höchsten Bauwerk der Schnellbahntrasse wenig: Zwar wuchsen weitere Brückenpfeiler in die Höhe, doch die Vorschubrüstung blieb wie festgenagelt an ihrem Platz vor dem Portal des Boßlertunnels.

Immer wieder kamen Gerüchte auf, wonach die Brückenbauer Schwierigkeiten mit der Statik hätten. „Das stimmt alles nicht“, sagt Bahnsprecher Jan Dambach. Die Zeitverzögerung habe vielmehr an der Komplexität beim ersten Abschnitt des Vorschubs gelegen. Dies sei mit einem Prototyp vergleichbar - „und da klappt nicht immer alles so, wie es geplant war“. Trotz des Zeitverlustes liege man laut Dambach im Plan. Bis Ende 2022 soll die Schnellbahntrasse zwischen Wendlingen und Ulm fertiggestellt sein und mit ihr auch die Filstalbrücke.

Herzstück beim Bau der Brücke ist die 800 Tonnen schwere und 100 Meter lange, freischwebende sogenannte „Vorschubrüstung“. Sie wird Schritt für Schritt in zehn Abschnitten in über 70 Metern Höhe übers Filstal geschoben. Bei jedem neuen Abschnitt wird der Beton in die Schalung gegossen, die hydraulisch an den Vorschub gepresst wird. Ist das erste Tragwerk fertig, wird auf ihr der Vorschub wieder zurück zum Boßlertunnel geschoben. Dann geht es ein paar Meter nebenan wieder von vorne los. Die Filstalbrücke besteht nämlich aus zwei getrennten Tragwerken, für jede Fahrtrichtung eine. Dies ist notwendig, weil die Tunnel aus je zwei eingleisigen Röhren bestehen.

60 000 Tonnen Beton fließen in die Brücke

Auf knapp 15 Kilometern Länge erklimmt die ICE-Neubaustrecke die Schwäbische Alb. Bei Hohenstadt erreicht sie auf 746 Metern ihren höchsten Punkt. Der Großteil des Anstiegs wird im 8,8 Kilometer langen Boßlertunnel bewältigt. Der Boßlertunnel ist der längste Tunnel entlang der Neubaustrecke. Bei Mühlhausen tritt die Trasse kurzzeitig an die Oberfläche, um das Filstal zu überbrücken. Der restliche Anstieg erfolgt im 4,8 Kilometer langen Steinbühltunnel. Die Filstalbrücke ist die dritthöchste Eisenbahnbrücke in ganz Deutschland. Sie besteht aus zwei getrennten Tragwerken, die 485 beziehungsweise 472 Meter lang sind. Die Brückenhöhe beträgt an der Talsohle 85 Meter. 60 000 Kubikmeter Beton werden für den Bau benötigt. Dazu kommen 9 000 Tonnen Stahl. Die Baukosten belaufen sich auf 53 Millionen Euro. Die gesamte Trasse zwischen Wendlingen und Ulm soll 2022 fertig sein.rh