Zwischen Neckar und Alb

Die Fachkräfte von übermorgen

Integration Der Bund der Selbständigen informiert Unternehmen über Beschäftigungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Einige Firmen klagen über bürokratische Hürden und lange Wartezeiten. Von Peter Dietrich

Heute ist alles einfacher, als noch vor ein oder zwei Jahren. Das war eine Haupterkenntnis des Abends des Bundes der Selbständigen (BDS) im Schlossgut Köngen zum Thema „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“. Es gibt inzwischen viele hilfreiche Geister und Gesetze.

An Referenten aus der Praxis war bei der BDS-Veranstaltung kein Mangel. Allen gemeinsam, ob von der Handwerkskammer, der IHK oder der Agentur für Arbeit: Sie wollen den Beteiligten helfen, Firmen wie Flüchtlingen.

Erhan Atici tut dies als Willkommenslotse bei der Handwerkskammer Region Stuttgart und Nesrin Abdullah beim Bündnis für Fachkräftesicherung im Kreis Esslingen. Beide nennen wichtige Erfolgsfaktoren für die berufliche Integration. Einer davon ist die Wohnortnähe. Wenn jemand morgens um 4.30 Uhr los müsse, um in den Kreis Ludwigsburg zu fahren, sagt Atici, funktioniere das auch bei einem deutschen Jugendlichen nicht. Abdullah nennt die Einsatzbereitschaft als Faktor und empfiehlt, Flüchtlinge nicht mit Samthandschuhen anzufassen.

Wie ist das mit der Sprache? „Niveau B2 ist das Minimum“, sagt Abdullah. Ziel sei nicht nur der Ausbildungsplatz, sondern das erfolgreiche Bestehen der Ausbildung. Für das Arbeitsleben, bestätigt Kat­rina Knauss vom Jobcenter Landkreis Esslingen, genüge B1, aber für die Ausbildung an der Berufsschule sei B2 nötig. Nach einer Faustformel sei B1 in acht Monaten erreicht. Kenne jemand die lateinische Schrift noch nicht, seien etwa 15 Monate nötig. „Wir betreuen die Flüchtlinge auch schon in dieser Zeit.“ Viele könnten sich unter einem Beruf nichts vorstellen, für sie seien Praktika wichtig. Bei diesen könnten die Flüchtlinge auch Deutsch sprechen.

Regina Zimmermann von der Agentur für Arbeit kennt beim Arbeitgeberservice vor allem drei Fragen der Arbeitgeber: „Wie komme ich an einen Flüchtling? Was muss ich beachten? Was für Fördermittel bieten Sie an?“

Sie rät dazu, dem Arbeitgeberservice die Stellen mit dem Zusatz zu melden, dass auch ein Flüchtling willkommen sei. Sie kann vom vielseitigen Engagement von Unternehmern berichten: Einer stellte dem Flüchtling einen Mentor zur Seite, einer bot im Unternehmen zusätzliche Deutschkurse an, einer organisierte eine ausführliche Einweisung in die Gepflogenheiten des deutschen Arbeitsalltags. Wichtig: Anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte brauchen keine Arbeitserlaubnis, Asylbewerber und geduldete Ausländer schon, auch einem Praktikum muss die Ausländerbehörde zustimmen. Die Ausländerbehörden sind unterschiedlich schnell, beim BDS klagte ein Praktiker über Esslingen weit mehr als über Kirchheim und Nürtingen.

Neu und laut Zimmermann „sehr unbürokratisch“ ist die bis zu sechswöchige „Maßnahme beim Arbeitgeber“ (MAG): ein Praktikum ohne Arbeitserlaubnis, ohne Arbeitsvertrag und Entgelt. Nur bei der Unfallversicherung muss der Praktikant gemeldet werden. Zimmermann stellte den Eingliederungszuschuss (EGZ) und die bezuschusste Einstiegsqualifizierung (EQ) vor, es gebe inzwischen noch weitaus mehr Instrumente. Die Flüchtlinge, sagt sie, seien nicht die Fachkräfte von heute und morgen, sondern von übermorgen.