Zwischen Neckar und Alb

„Die Großen sind keine Primadonnen“

Interview Starfotograf André Rau hatte sie alle vor der Linse. Jetzt hat er es sich in Aichwald gemütlich gemacht. Im Rathaus sind 100 seiner Werke ausgestellt. Von Greta Gamberg

Foto: Roberto Bulgrin
Foto: Roberto Bulgrin

Wenn Aichwalds Bürgermeister Nicolas Fink in diesen Tagen aus seinem Büro kommt, blickt er auf den Dalai Lama, Hand in Hand mit Modedesigner Kenzo. Dass deren Abbild an der Flurwand gegenüber hängt, hat der Schultes einem seiner Bürger zu verdanken: André Rau, einem der bekanntesten Mode- und Beautyfotografen weltweit.

Was ist das Erste, was Ihnen einfällt, wenn Sie an Aichwald denken?

André Rau: Ich muss hier immer an East Hampton denken. Ich hab in East Hampton gewohnt, in der Nähe von New York, Long Island. Und wenn man hier über die Landstraßen durch den Wald fährt, könnte man denken: ‚Ich bin in den Hamptons.‘

Sie haben davor in Städten wie Monaco, Los Angeles oder Paris gelebt. Haben Sie hier auch mal Sehnsucht nach dem Glamour der Großstadt?

Rau: Eigentlich überhaupt nicht. Ich pendle ja zwischen Paris und hier und bin eigentlich immer ganz froh, wenn ich in Paris in den TGV einsteigen kann.

Weshalb?

Ich find’ Paris nicht mehr so aufregend, wie es war, als ich dort ankam. Es hat sich sehr verändert. Mir gefällt jetzt die Ruhe.

Sie sind von Paris wahrscheinlich rauschende Partys, viele Kultureinrichtungen und noble Restaurants gewohnt. Wohin gehen Sie, wenn Sie hier ausgehen wollen?

Ab und zu nach Esslingen ins Dick. Und mach’ die Runde in den Restaurants. Oder nach Stuttgart. Ich bin aber auch Gast in den Einrichtungen von Aichwald.

Es ist wahrscheinlich eine Premiere, dass Sie in einer 7 500-Einwohner-Gemeinde ausstellen. Welches Foto kontrastiert am meisten mit der Umgebung hier?

Ha, was für eine Frage. Es gibt so viele Fotos . . . Die, die am meisten kontrastieren, habe ich jetzt gar nicht aufgehängt.

Welche Geschichte hinter der Entstehung eines Fotos hat sich besonders bei Ihnen eingebrannt?

Polanski hat mich mal gefragt, ob ich - er hatte gerade für den Pianisten gecastet - Adrien Brody fotografieren könnte. Von verschiedenen Winkeln aus, damit Polanski weiß, wie der tatsächlich aussieht. Dabei hat mich Adrien gefragt: ‚Kennst Du Roman?‘ Ich hab gesagt: ‚Ja, den kenn ich schon seit Langem und sehr gut.‘ - ‚Wie ist er denn so?‘ Da hab ich gesagt: ‚Das ist jetzt nicht einfach. Aber er ist ein Mann, der sich sehr gut auskennt, der sehr gebildet ist und der sehr viel von dir fordert.‘ Und ich hab Brody noch mit auf den Weg gegeben: ‚Aber wenn du ihm zuhörst, gut mitarbeitest und tatsächlich auf ihn eingehst, ist er jemand, der dich in den Aufzug stellen und hochbefördern kann.‘ Und so ist es auch passiert. Brody hat den Oscar gewonnen, er hat den Cesar gewonnen, den British Movie Award - also alles, was es gibt.

Das zeigt, dass Sie wohl eine gute Menschenkenntnis haben. Gehört das auch zu den Charaktereigenschaften, die Sie so groß gemacht haben?

Bei mir ist es auf jeden Fall so: Wenn ich arbeite, bleibt mein Ego eingeschlossen im Schrank. Der Star ist die Person, die fotografiert wird, und nicht ich. Ich spiele nicht die Primadonna, die die Wichtigste ist auf dem Set.

Und was gehört noch dazu zu Ihrem Erfolgsrezept?

Ja, gute Fotos zu machen. Aber dafür hab’ ich kein Rezept. Ich wüsste jetzt nicht, wie das Foto aussieht, das ich morgen mache. Das passiert immer an Ort und Stelle.

Wie lange brauchen Sie für ein Foto?

Ich bin sehr schnell. Ich bin es gewohnt, dass ich derjenige bin, der am wenigsten Zeit hat. Wenn Friseur, Schminke und Stylisten mit ihrer Arbeit fertig sind, heißt es: Eigentlich müsste ich schon zu Hause sein. Also nur ein paar Minuten.

Aber danach gibt es ja auch noch Arbeit. Wie viel Photoshop steckt in Ihren Fotos?

Zu der Zeit, als die meisten Bilder hier entstanden sind, gab es überhaupt noch kein Photoshop. Da gab es Jean Henri in Paris. Das war ein älterer Herr, der eine Retucheur-Lehre gemacht hat mit 14. Der hat die Bilder noch mit Rasierklinge und Buntstift bearbeitet.

Trotzdem sind es ja die schönsten Menschen der Welt, die sich von Ihnen ablichten lassen. Können Sie denn noch mit normalen Leuten etwas anfangen?

Ich fotografiere gerne Kinder. Wenn Sie sich in der Ausstellung die Usbekistan-Bilder angucken, sehen Sie: Da sind nur Leute von der Straße. Mir ist es eigentlich am liebsten, wenn ich eine große Auswahl habe. Wenn ich nicht nur Mode, nicht nur Kosmetik, nicht nur Celebreties fotografiere.

 

Mit welchem Model hatten Sie es am schwersten?

Mit den wirklich Guten gab es eigentlich nie Probleme. Bis auf eine alte Zicke, Faye Dunaway, die war ganz böse bei einem Shooting. Und dann die B-Schauspieler. Aber von den ganz Guten eigentlich niemand. Die sind daran gewöhnt, Teamwork zu machen. Sie müssen sechs Monate lang auf dem Set mit den gleichen Leuten arbeiten. Und wenn sie Primadonnen wären und die Leute schlecht behandeln würden, käme die Retourkutsche.

Hat Sie auch mal jemand total überrascht? Weil Sie dachten, das ist ein ganz anderer Mensch.

Prince. Ich habe ihn mit seiner Frau Mayte für ein Cover für die Vogue fotografiert. Das war in Paris. Sie sollten, glaube ich, um 9 da sein, und kamen um Mitternacht an mit vielen Bodyguards und Leuten. Ich hockte auf der Treppe. Unten das Studio, oben war die Mezzanine, wo die Frau geschminkt wurde. Ich saß also auf der Treppe und suchte meine Ruhe. Da hat Prince mich gefragt, ob er sich zu mir setzen dürfe, ob er sein nächstes Album auflegen dürfe und ob ich bei dem Song denken würde, dass er mehr Bass dazutun sollte. Da hab’ ich gesagt: ‚Mach du dein Ding, du bist der Mozart der Popmusik.‘ Bei Prince hatte man das Gefühl, er sei ein bisschen arrogant. Stimmte nicht.