Zwischen Neckar und Alb
„Die Leute geraten unter Druck“

Soziales Die Corona-Pandemie setzt gerade Menschen, die in Armut leben, verstärkt zu. Die Diakonie macht auf verschiedenen Ebenen Angebote, um soziale Ausgrenzung zu bekämpfen. Von Thomas Zapp

Wer mit wenig Geld auskommen muss, den trifft Corona auf vielfältige Weise: Prekär Beschäftigte verlieren wegen der Krise vermehrt ihre Jobs, das für Bezieher von Hartz IV kos­tenlose Essen in Kitas und Grundschulen fällt weg, weil die Betroffenen in der Regel keine Notbetreuung anmelden können, und für die notwendige Digitalisierung fallen weitere Kosten an oder man bleibt bei bestimmten Online-Dienstleistungen außen vor. „Die Leute geraten unter Druck“, stellt Eberhard Haußmann fest. Der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands sieht auch soziale Probleme bei Familien in kleinen Wohnungen. „Zu viert auf 60 Quadratmetern gibt es keinen Raum zum Zurückziehen, da kann Energie nicht abfließen“, sagt er.

Umso wichtiger sei jetzt die Arbeit psychologischer Beratungsstellen, von denen es sechs im Landkreis gebe, zwei davon gehören zur Diakonie. „Wenn niemand da ist, machen wir auch Termine und die Betroffenen können persönlich vorbeikommen“, sagt Tanja Herbrik, Fachbereichsleiterin „Armut und Beschäftigung“.

Termine brauchen derzeit auch diejenigen, die auf Möbel oder Bekleidung aus den Diakonieläden angewiesen sind, denn der normale Betrieb ruht. „Wir nehmen Spenden nach wie vor entgegen und geben sie an Menschen in besonderen Notsituationen weiter. In Einzelfällen öffnen wir nach Terminabsprache auch die Läden“, sagt Tanja Herbrik. Es habe auch mit Würde zu tun, dass jemand die Möglichkeit hat, sich Kleidung auszusuchen, sagt sie. Dabei geht es auch um soziale Kontakte. „Manche wollen einfach nur reden“, sagt Reinhard Eberst.

In der sogenannten „zweiten Welle“ gebe es eine neue Klientel von Bedürftigen, die wegen Kurzarbeit und fehlender Nebenjobs in finanzielle Probleme geraten sei, sagt Tanja Herbrik. „Für diese Menschen sind die Tafeln eine fremde Welt“, fügt sie hinzu. Das betreffe auch alleinerziehende Empfänger von Sozialleistungen, die 50 bis 60 Euro monatlich mehr aufbringen müssen, weil die Essen in den Kitas wegfallen. Eine Notbetreuung bekommen sie in der Regel nicht. „Kein Arbeitgeber kann ihnen eine Bestätigung ausstellen, sagt sie. Überhaupt haben es Empfänger von Leistungen des Jobcenters momentan schwerer, sagt Reinhard Eberst, Leiter der Diakonie-Bezirksstelle in Kirchheim. Der reguläre Besuchsbereich bei der Agentur für Arbeit ist geschlossen und der telefonische Kontakt stellt für viele eine ­Hürde dar. „Die Kommunikation ist erschwert. Viele sind verunsichert, ob sie Geld bekommen“, sagt er.

Hinzu kommt, dass man bei Menschen mit Migrationshintergrund rückläufige Sprachkenntnisse feststelle, eine direkte Folge ausgefallener Sprachkurse. Deren Integration auf dem Arbeitsmarkt sei schwieriger geworden, da sie momentan keine Praktika absolvieren können, sagt Eberst.

Für Erhöhung des Regelsatzes

Schwieriger zu erreichen seien auch Menschen, die in städtischen Notunterkünften leben. „Alkohol dürfen sie im öffentlichen Raum nicht konsumieren. Es ist daher deutlich schwerer, sie zu erreichen. Sie ziehen sich zurück, dadurch läuft bei ihnen einiges aus dem Rahmen, melden sich etwa bei der Agentur für Arbeit nicht mehr“, berichtet Reinhard Eberst.

Die sozialen Träger arbeiten daher auf vielen Ebenen daran, arme Menschen zu unterstützen. „Wir bieten viele Einzelberatungen am Telefon an. Wenn jemand aber persönlichen Kontakt braucht, kriegt er den auch“, betont Eberhard Haußmann. Er freut sich über das soziale Netz, das es im Kreis Esslingen dank der verschiedenen Träger gibt, und über die Solidarität der Gesellschaft: „Viele Hilfen können wir nur über Spenden leis­ten.“ Allein im letzten Jahr seien es 180 000 Euro gewesen, die als bedingungslose Nothilfe ausgezahlt werden konnten.

Richtung Politik richtete Haußmann die Forderung, den Regelsatz für Arbeitslosengeld II auf 600 Euro zu erhöhen. „Es geht darum, Sicherheit zu geben. Außerdem ist es wichtig, bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen, das ist die Voraussetzung für einen guten Start ins Leben.“