Zwischen Neckar und Alb

Die Menschen an der Basis abholen

Politik Auf dem SPD-Kreisparteitag in Nürtingen hat sich der wiedergewählte Kreisvorsitzende Michael Beck kämpferisch gezeigt. Punkten soll die Partei mit volksnahen Inhalten. Von Katja Eisenhardt

Für eine volksnahe und pro-europäische SPD: Landtagsabgeordneter Andreas Kenner, Kreistagsfraktionsvorsitzende Sonja Spohn, SPD-
Für eine volksnahe und pro-europäische SPD: Landtagsabgeordneter Andreas Kenner, Kreistagsfraktionsvorsitzende Sonja Spohn, SPD-Generalsekretär Sascha Binder, Kreisvorsitzender Michael Beck und Landtagsabgeordneter Nicolas Fink (von links). Foto: Katja Eisenhardt

Eines wurde auf dem SPD-Kreisparteitag in Nürtingen deutlich: Die Sozialdemokraten wollen sich von den vergangenen schlechten Wahlergebnissen nicht entmutigen lassen. Sie zeigten sich kämpferisch und möchten bei den Wählern mit volksnahen Inhalten punkten.

Vor zehn Jahren ist der frisch wiedergewählte SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck (siehe Info rechts) in die SPD eingetreten. Auslöser für ihn war der Wahlabend im September 2009 gewesen. Nach der ersten Hochrechnung lag die SPD bei 23 Prozent. Der damalige Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach von einem bitteren Tag für die deutsche Sozialdemokratie. „Ich war fest entschlossen daran mitzuarbeiten, dass es dieser Partei endlich besser geht“, sagt Michael Beck. „Um die 40 Prozent“ habe er sich damals vorgestellt. Aktuell ist davon wenig zu spüren: „Im Bund stehen wir bei Umfragen zwischen 15 und 18 Prozent, im Land sieht es noch schlechter aus.“ Verlorene Wahlen, konfliktreiche Wechsel an der Parteispitze, inhaltliche Veränderungen, aber keine wirkliche Verbesserung im Ergebnis. „Ich habe keine Lust mehr, von einer Niederlage zur nächsten zu rennen,“ zeigt sich Michael Beck kämpferisch.

Auf kommunaler und Kreisebene sei die Partei nicht untätig. Der Kreisverband könne sich über einen leichten Mitgliederzuwachs freuen: Waren es 2017 noch 1 550 Mitglieder, seien es jetzt etwas mehr als 1 600. Dennoch: Die jungen Neumitglieder fehlen, der demografische Wandel fordere sein Tribut: „Dieser Trend wird auf die SPD in den Ortsvereinen und im Kreisverband in Zukunft massive Auswirkungen haben, die wir teils schon heute spüren“, so Beck. In manchen Orten könne man schon jetzt nicht mehr zur Gemeinderatswahl antreten. Der Kreisverband brauche die Unterstützung der SPD in Land und Bund: „Wir wirken gerade auf die Jungen oftmals verstaubt und eingerostet. Dieses Bild müssen wir loswerden, es entspricht nicht der Wahrheit.“

Europaweit stecken die sozialdemokratischen Parteien in der Krise. Rechtspopulisten und Rechtsradikale verbuchen stattdessen Erfolge. „Gleichzeitig erleben wir einen nie da gewesenen Höhenflug der Grünen“, so Beck. Eine der Ursachen sieht er in der Globalisierung und daraus resultierenden Ängsten: „Die SPD muss gerade in Baden-Württemberg, wo die Wirtschaft stark vom Export abhängt, verdeutlichen, dass wir die Globalisierung als Chance begreifen, und dass Abschottung und Nationalismus keine Lösung sind“, sagte Michael Beck: „Wir stehen für eine vertiefte Zusammenarbeit und Stärkung der EU.“ Ein zentrales Anliegen sei eine Finanzmarkttransaktionssteuer, ja grundsätzlich eine gerechte Besteuerung multinationaler Konzerne.

Ein aktuelles Thema ist zudem das von der SPD gestartete Volksbegehren zur Gebührenfreiheit von Kitas. Über 15 000 Menschen haben unterschrieben: „Dass jetzt die grün-schwarze Regierung das Volksbegehren für unzulässig erklärt, ist unglaublich“, ärgerte sich Michael Beck. Anfang Mai werde es ein Spitzengespräch des Kreisvorstands mit den Abgeordneten sowie den Elternvertretern der Kitas im Kreis geben.

Auch Sascha Binder, Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, zeigte sich überzeugt: „Wenn die richtigen Leute kandidieren - Optimisten und solche mit dem Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen - können wir die Menschen für uns gewinnen.“ Was das Thema gebührenfreie Kitas angehe, so sei das sicher nicht für jede Gemeinde finanziell umsetzbar. An dieser Stelle müsse das Land für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen: „Wir müssen die Familien entlasten.“ Ein weiteres zentrales Thema ist für ihn der Wohnungsbau. Hier passiere zu wenig bis nichts. Die SPD fordere daher die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft, um zügiger voranzukommen. Ein weiterer Punkt: Das Einzelhandelssterben und der wachsende Trend zum Online-Einkauf. Die SPD wolle hier eine Digitalsteuer, erklärte Sascha Binder, denn: „Es ist der lokale Einzelhandel, der die für die Städte so wichtige Gewerbesteuer zahlt, nicht Amazon und Co. Die machen nur selbst Gewinn.“

SPD wählt neuen Kreisvorstand

Zum Kreisvorsitzenden für die kommenden zwei Jahre wiedergewählt wurde als einziger Kandidat Michael Beck. Seine Stellvertreter sind Frank Fahrner und Regina Rapp. Die bisherige stellvertretende Kreisvorsitzende Simone Höllmüller hat nicht mehr kandidiert. Pressesprecher bleibt Michael Medla, Schatzmeister Jens Arnold, Schriftführerin Barbara Fröhlich. Als Beisitzer im neuen Vorstand wurden gewählt: Andrea Bagdahn, Simon Bürkle, Roman Krieger, Stefan Lehmann, Herbert Schulze, Beate Schweinsberg-Klenk, Derya Sen, Sven Simon, Steffen Weigel, Yevheniia Ulrikh.eis