Zwischen Neckar und Alb

Die Narren laden zum „Festmenü“

Umzüge Am Wochenende waren die Fasnets-Hochburgen fest in Narrenhand – am Samstag in Wernau und am gestrigen Sonntag in Neuhausen. Von Thomas Krytzner

Von überall her kamen Hexen, Dämonen und Teufel nach Wernau, um friedlich mit den zahlreichen Zuschauern zu feiern.
Von überall her kamen Hexen, Dämonen und Teufel nach Wernau, um friedlich mit den zahlreichen Zuschauern zu feiern.

Was braucht es, um ein bunt gemischtes, wohltuendes Narrenmenü zu kredenzen? Man nehme rund 3 500 Hästräger und vermische sie mit mehreren zehntausend gutgelaunten Zuschauern. Dazu eine Prise mildes Frühlingswetter und eine perfekte Organisation durch die verantwortlichen Zünfte. Verfeinert wird das Ganze durch die Kräfte der Polizei, Feuerwehr und der Rettungsdienste, die für die Sicherheit sorgen. Schon steht einem närrischen Festmahl nichts mehr im Weg. Dass die Narren in Wernau und Neuhausen allesamt „Sterneköche“ sind, bewiesen sie am Wochenende mit den Fasnetsumzügen in beiden Hochburgen.

Die Ouvertüre gab es in Wer­nau. Die beiden Chefköche rührten seit fast einem Jahr in der Narrensuppe der Wernauer Narren - ganz nach dem Motto „Nach dr Fasnet isch vor dr Fasnet.“ - „Wir haben 1 500 Einladungen an die verschiedenen Zünfte verschickt, und die Rückmeldungen waren - wie immer - überwältigend“, berichtet Zunftmeister Marcel Reith. 75 Gruppen mit über 3 000 Narren kamen zusammen. Pressesprecher Frederick Weiß ergänzt: „Wir hätten sogar noch mehr Gruppen in den Umzug einbauen können, aber dann würde die ganze Show viel zu lange dauern.“ Dass die Wernauer Fasnet während der meisten Zeit auf stark alkoholische Getränke verzichtet, kam nicht nur gut an, sondern zeigte Wirkung. Der Narrenchef freut sich: „2018 mussten während der Fasnet rund 20 Menschen wegen Alkoholvergiftung behandelt werden, im letzten Jahr waren es noch deren drei.“

Seit 37 Jahren gibt es in Wernau den Fasnetsumzug, und der Lindwurm ist weit über die Landesgrenzen bekannt. „Wir sind stolz, in diesem Jahr drei Guggenmusiken aus der Schweiz dabei zu haben“, sagt Marcel Reith. Marcel Reith und Frederick Weiß sind beide eingefleischte Fasnächtler. „Es scheint nicht zu schaden, wenn man die Fasnet schon als Kind miterleben durfte“, schmunzelt der Zunftmeister.

In der „Großküche“ Wernau wuselte es schon um die Mittagszeit. Bis zum Umzugsbeginn um 14 Uhr dürften weit über 30 000 „Feinschmecker“ in die Neckarstadt geströmt sein. Laut waren die Revolverschüsse der Wernauer Schützen zu hören. Sie kündigten den Beginn des „Hauptmenüs“ an. Dieses hätte kaum vielfältiger sein können. Aus ganz Baden-Württemberg, ja sogar aus Bayern und Bremen waren Hästräger, Faschingsfreunde und Karnevalisten nach Wernau gekommen, um mit dem Publikum Fasnet zu feiern. Die Zuschauer stürzten sich allerdings nicht ungehobelt auf das dargebotene „Narrenmenü“, sondern genossen jede „Zutat“.

Hexen und tierische Narren

Etliche Hexen hatten ihre schönsten Röcke angezogen, Wölfe putzten das Fell raus und die Eisbären glänzten mit der Sonne um die Wette. Kein Wunder, dass das Publikum jede Gruppe feierte und vor allem den jeweiligen Narren-Ruf lauthals in die Straße schrie. Die Fanfarenzüge, die Stadtkapelle Wernau und die vielen Guggenmusiken hielten die Fasnetfans beschwingt bei Laune.

Mädels pochten vereinzelt darauf, dass die Narren sich um sie kümmerten, und die Umsetzung folgte sprichwörtlich auf dem Fuße: Etliche Schuhbändel wurden einkassiert, und die Damenwelt durfte zum Dank in Drehtellern eine Runde drehen oder es sich in Strohbädern gemütlich machen. Zum „Dessert“ gab‘s noch süße Leckereien aus dem Fünfsternehotel „Zum Stadtrat“.

Wer im lukullischen Sinn an Neuhausen denkt, denkt unweigerlich ans Filderkraut. Das hat allerdings mit der Fasnet nur insofern zu tun, als deutlich agile Spitzkrautköpfe den Umzug vegetarisch bereicherten. Ronald Witt, Präsident des Narrenbunds Neuhausen, verriet das Erfolgsrezept für einen gelungenen Umzug: „Es braucht gutes Wetter, das nicht zu kalt ist. Die Zuschauer gehören zum Umzug dazu. Die Narren sind das Gewürz, und die Mischung aus Brauchtum und Karneval verfeinern das Umzugsgericht. Die Wagen sind das Salz in der Suppe.“

84 Gruppen zählte der fast zwei Kilometer lange und bunte Lindwurm. 3 650 Narren waren mit Häs und Instrumenten dabei. Knapp 3500 Zuschauer kamen trotz des stürmischen Wetters. Der starke Wind hatte Ronald Witt Sorgen bereitet: „Wir haben lange überlegt, ob wir die Wagen mitfahren lassen.“ Doch er gab kurz vor dem Start des Umzugs Entwarnung: „Alles läuft wie geplant.“

Stolz ist der Chef-Narr auf den Nachwuchs: „Fast 70 Kinder machen bei der Hexengruppe mit.“ Neuhausen gilt nicht umsonst als Hochburg der Fasnet im Kreis Esslingen. „Der Karneval hat hier lange Tradition. Es gibt Aufzeichnungen über die Fasnet aus dem Jahr 1447.“ Ronald Witts Bilanz der bisherigen Kampagne fällt positiv aus: „Die beschränkte Ausgabe von Alkohol hat am Schmotzga Doschtich einen deutlichen Rückgang der Straftaten und Alkohol-Exzesse bewirkt.“

Die Feierlaune war dadurch nicht getrübt, und die zahlreichen Zuschauer feierten mit den Narren gut drei Stunden lang. Die Gruppen wurden bejubelt und ihre Narrenrufe lautstark erwidert.

An der Fasnet ist scheinbar immer ein bisschen mehr erlaubt - unter anderem auch Nase bohren.
An der Fasnet ist scheinbar immer ein bisschen mehr erlaubt - unter anderem auch Nase bohren.
Rot und Weiss sind die Farben der Neuhausener Narren. Der gelbe Drehkäfig gehört seit Jahren zum Umzug dazu.
Rot und Weiss sind die Farben der Neuhausener Narren. Der gelbe Drehkäfig gehört seit Jahren zum Umzug dazu.