Zwischen Neckar und Alb
Die Pandemie verschärft den Lehrermangel

Bildung Wegen des Coronavirus ist die Situation an einigen Schulen angespannt. Allerdings hat das Fehlen von Lehrkräften verschiedene Ursachen. Von Barbara Gosson

Die Zeiten, um im Schuldienst Karriere zu machen, sind gut. Auf der Seite des Staatlichen Schulamts Nürtingen werden neun Rektoren- und 15 Konrektorenstellen alleine an Grundschulen ausgeschrieben, einige zum wiederholten Mal. Die Leiterin des Schulamtes, Dr. Corina Schimitzek, erklärt, woran es liegt und wie die Personalsituation an den Schulen gerade aussieht.

Die vielen offenen Stellen haben eigentlich einen recht erfreulichen Grund: Die Landesregierung hat ein Programm zur Stärkung der Schulleitungen aufgelegt und neue Stellen für Konrektoren geschaffen, wo es vorher keine gab. Das sorgte dafür, dass 80 zusätzliche Stellen im Schulamtsbezirk zu besetzen waren, dazu kamen noch die, bei denen es einen normalen Wechsel gab. Das Staatliche Schulamt Nürtingen ist für alle Schulen mit Ausnahme der Gymnasien und der beruflichen Schulen zuständig. Deshalb ist Schimitzek ganz zufrieden, wie es mit der Besetzung der Stellen gelaufen ist, zumal die Ausschreibungen erst dann von der ­Seite genommen werden, wenn die Leute wirklich bestellt sind, denn bis dahin könnte sich theoretisch noch etwas ändern. Die Schulen bekommen nicht wirklich zusätzliche Stellen, es werden aber Stellen aufgewertet. „Die Leute auf den Konrektorenstellen sind gut, die können in zwei bis drei Jahren in Leitungsfunktion gehen.“

Schimitzek hat nur ein Sorgenkind, die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Das Interesse daran ist eher gering, weil diese sehr klein sind.Woran liegt es jedoch, dass verschiedene Schulleiterstellen immer noch unbesetzt sind? Beispielsweise wird die zweizügige Roßdorfschule in Nürtingen seit Jahren kommissarisch geführt. Schimitzek nennt ein Bündel von Gründen, von denen viele auch auf andere Schulen zutreffen. Sie freut sich, dass in Nürtingen eine engagierte Person für das Konrektorenamt gewonnen wurde. Von einigen Eltern seien jedoch Vorbehalte gekommen, dass die junge Frau bald in Elternzeit gehen könnte.

Zudem ist laut Schimitzek das Klima an den Schulen zurzeit recht schwierig und angespannt. Manche Eltern äußern Beleidigungen und Drohungen, wenn es um Themen wie Masken oder Testpflicht geht. Das sei für viele Lehrkräfte belastend und sie überlegten sich, ob sie in dieser Situation eine herausgestellte Position einnehmen möchten, in der sie noch mehr abbekommen und sich schützend vor Kollegen stellen sollten.

Dazu kommen laut Schimitzek Kollegen, die Masken, Testen und Impfen selbst ablehnen. „Die Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft. Das, was gerade passiert, bereitet mir Sorgen.“ Unter den Lehrern gebe es generell eine hohe Bereitschaft zu Impfungen und Tes­tungen, jedoch habe das Schulamt keine Zahlen, wie viele Lehrkräfte bereits geimpft sind, da diese Frage privat ist. Zu Beginn des Schuljahres habe es eine Lehrerversorgung von 102 Prozent gegeben. Jedoch sei der Markt leergefegt, jeder, der wollte, habe ein Angebot bekommen. Außerdem gebe es viele Lehrer, die einer Risikogruppe angehören und deshalb keinen Präsenzunterricht machen können. Schimitzek sagt, dass der Lehrermangel nicht erst mit Corona begonnen hat. Mittlerweile habe es in der Landespolitik ein Einsehen gegeben, dass es falsch war, Lehrerstellen abzubauen und die Ausbildungskapazitäten zu reduzieren. Und da in einigen Gemeinden neue Kindertagesstätten gebaut werden, weil es mehr junge Einwohner als erwartet gibt, seien mehr Lehrkräfte dringend nötig.

Während jedoch weiterführende und berufliche Schulen auf Seiteneinsteiger setzen, sei das im Grundschulbereich schwierig: „Den Stoff beherrschen wir alle, aber hier zählt die Fachdidaktik“, sagt Schimitzek. Gerade in der Grundschule sei es elementar, dass Probleme schon im Entstehen erkannt werden, denn auf den dort erlernten Kulturtechniken baue alles andere auf.

So könne sich ein Mangel an Lehrkräften in der Grundschule fatal auswirken und eine kurzfris­tige Lösung sei nicht in Sicht. Ein Beispiel, was passiert, wenn gleich mehrere Lehrer auf einmal ausfallen, findet sich in Altdorf. Dort ist gerade „Land unter“, denn in der kleinen Schule sind von den vier Klassenlehrerinnen zwei in Elternzeit und zwei krank. In Stunden gerechnet, so der Elternbeiratsvorsitzende Marc Kulow, könnten von 102 nur noch 19 unterrichtet werden, dank einer Vertretung kommen zehn dazu. Also könne nur ein Drittel der Stunden überhaupt abgedeckt werden. Kulow hat sich erkundigt: Da eigentlich alle Schulen Lehrermangel haben, sei es nicht so einfach, jemanden zu finden, der einspringen könnte.

„Wenn es ein Wunschkonzert gäbe, so würde ich mir wünschen, dass an den Schulen mehr Professionen zusammenkommen, um den Kindern mehr als Unterricht zu bieten“, sagt Schulamtsleiterin Schimitzek. Mehr Pädagogik, zusätzliche Angebote. Mit der Schulsozialarbeit sei man bereits auf einem guten Weg. Bis dieser Wunsch wahr wird, kann es noch eine Weile dauern.