Zwischen Neckar und Alb

Die Vereinten Nationen zeichnen das Genbänkle aus

Vielfalt Neckarperle, Trotzkopf, Blauhilde – noch nicht gehört? Kein Wunder, all diese Sorten gibt es nicht mehr allzu häufig. Eine Datenbank soll den Zugang zu ihren Samen erleichtern.

Darauf erstmal einen Sekt: Wolde Mammel, Roman Lenz, Staatsekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch und Steffi Cornelius freuen sich übe
Darauf erstmal einen Sekt: Wolde Mammel, Roman Lenz, Staatsekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch und Steffi Cornelius freuen sich über die UN-Auszeichnung. Foto: pr

Zehntausende Arten gehen jedes Jahr unwiederbringlich verloren. Diesem ökologischen, aber auch ökonomischen Verlust etwas entgegenzusetzen, hat sich das Projekt „Genbänkle“ zum Ziel gesetzt. Jetzt wurde es von den Vereinten Nationen im Rahmen der Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet.

Das „Genbänkle“ macht Initiativen und Organisationen zum Thema „Alte und seltene Gemüsesorten“ in Baden-Württemberg bekannt und vernetzt die Akteure miteinander. Eine Datenbank sorgt dafür, dass Interessierte leichter Zugang zu regionalem, samenfestem Saatgut alter und seltener Gemüsesorten bekommen können. Professor Dr. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) koordiniert die Initiative, die jetzt als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt gewürdigt wurde. Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, übergab die Auszeichnung im Namen der Geschäftsstelle der UN-Dekade im Freilichtmuseum in Beuren. Partner und Initiatoren des Genbänkle sind außer der HfWU der Alb-linsen-Förderverein mit „Linsenpapst“ Wolde Mammel und „Die Agronauten“, Roman Lenz und Dr. Philipp Weckenbrock von der Forschungsgesellschaft für nachhaltige regionale Landwirtschaft. Die Datenbank der Gemüsesorten soll in einem zweiten Schritt auf weitere Feldfrüchte ausgeweitet werden.

Auch ökonomisch wichtig

Das Genbänkle ist kein nostalgisches Projekt, bei dem Liebhaber alte Sorten sammeln. Es geht um die ökologisch wie ökonomisch wichtige Erhaltung der Sortenvielfalt. „Wir wollen helfen, die Kulturpflanzen zu schützen, indem wir die Sortenvielfalt nutzen“, sagt Roman Lenz. Derzeit seien über 220 Gemüsesorten für Baden-Württemberg gelistet, die sehr selten und vom Aussterben bedroht sind. Dazu gehören die Neckarperle, eine Blumenkohlsorte, der Braune Trotzkopf, eine Salatsorte oder die Stangenbohne Blauhilde. Dabei geht es nicht nur um die Bewahrung des genetischen Codes der Pflanzen: In den alten Züchtungen steckt über Jahrhunderte erbrachte Kulturarbeit. Zugleich verbirgt sich in den alten Sorten wichtiges genetisches Kapital für Weiterentwicklungen.

Friedlinde Gurr-Hirsch weist darauf hin, dass die erhaltenen Pflanzen wichtige Eigenschaften aufweisen, die Grundlage für neue Züchtungen werden können. „Zuchtziele können sich ändern“, so die Staatssekretärin. Sie verwies auf die enormen Schäden, die der Frosteinbruch im April im Obst- und Weinbau verursacht hatte. Alte Sorten könnten etwa dazu dienen, neue widerstandsfähige Sorten zu züchten.

„Der Artenschutz ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe“, betont Roman Lenz. Die große Resonanz auf das Projekt sieht er als Zeichen dafür, dass auch die Bevölkerung die Dringlichkeit anerkennt. „Wir bekommen inzwischen mehr Geld von privater Seite als aus dem Ministerium. Das ist mir in 30 Jahren noch nie passiert“, sagt er. pm